Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung des Rückkaufswertes einer Lebensversicherung und des staatlichen Kindergeldes im Rahmen der beantragten Prozesskostenhilfe
Leitsatz (amtlich)
Einzelfallprüfung, ob der Einsatz des Rückkaufswertes einer Lebensversicherung für die Prozesskosten zumutbar ist (Bestätigung von OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.11.2004 - 5 WF 190/04, OLGReport Frankfurt 2005, 562 [563]). Kindergeld ist weiteres Einkommen der Partei (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 26.1.2005 - XII ZB 234/03, MDR 2005, 767 = BGHReport 2005, 737 = FamRZ 2005, 605), jedoch nur soweit es nicht zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhaltes eines minderjährigen Kindes zu verwenden ist. Soweit der Freibetrag (von zur Zeit 266 EUR nach der 2. PKHB 2005 vom 22.3.2005) nicht zur Deckung des Existenzminimums (unter Berücksichtigung von § 1612b Abs. 5 BGB 135 % des Regelbetrags abzgl. der bei der Partei bereits berücksichtigten Wohnkosten) für ein Kind ausreichend ist und das Kindergeld (teilweise) zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts des Kindes benötigt wird, ist es jedoch insoweit Einkommen des Kindes (§§ 11 Abs. 1 S. 3 SGB II, 82 Abs. 1 S. 2 SGB XII).
Normenkette
SGB II § 11 Abs. 1 S. 3; SGB XII § 82 Abs. 1 S. 2; ZPO § 115 Abs. 1-2
Verfahrensgang
AG Büdingen (Beschluss vom 16.06.2005; Aktenzeichen 51 F 840/04 EA Nr. 1) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert. Dem Antragsgegner wird Prozesskostenhilfe für das einstweilige Anordnungsverfahren im ersten Rechtszug bewilligt und zur Wahrnehmung seiner Rechte Rechtsanwalt XYZ beigeordnet.
Auf die entstehenden (gesonderten) Kosten des Anordnungsverfahrens nach einem Verfahrenswert von 4.400,46 EUR hat der Antragsgegner Ratenzahlungen von monatlich 60 EUR jeweils am 5. eines Monats ab Oktober 2005 an die Staatskasse zu leisten.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
Die gem. § 127 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das einstweilige Anordnungsverfahren, in dem die Rechtsverteidigung des Antragsgegners Erfolg hatte, ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass das EA-Verfahren nach seinem Wert von 4.400,46 EUR gesondert abzurechnen ist, dieser Wert aber andererseits (entgegen dem Streitwertbeschluss des AG vom 8.6.2005) nicht zur Erhöhung des Streitwertes der Hauptsache führt, was das AG noch von Amts wegen korrigieren kann (§ 63 Abs. 3 GKG; die Voraussetzungen für eine Änderung der Wertfestsetzung durch das Rechtsmittelgericht nach dieser Vorschrift liegen hier nicht vor, weil nur über die Prozesskostenhilfe für das EA-Verfahren zu entscheiden ist).
Der Antragsgegner muss den Rückkaufswert seiner ...-Lebensversicherung, der zum 1.5.2004 15.258 EUR betragen hat, nach Auffassung des Senats nicht zur Bestreitung der Prozesskosten einsetzen, weil dies im konkreten Einzelfall nicht gem. § 115 Abs. 2 S. 1 ZPO zumutbar erscheint.
Bei der vom Senat grundsätzlich für erforderlich gehaltenen Einzelfallprüfung der Zumutbarkeit des Einsatzes einer Lebensversicherung (vgl. hierzu OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.11.2004 - 5 WF 190/04, OLG Report Frankfurt 2005, 562 [563] m.w.N. zum Streitstand) kann der Antragsgegner darauf verweisen, dass eine zusätzliche Altersversorgung, der die Lebensversicherung dienen soll, sinnvoll erscheint. Es handelt sich um eine Direktversicherung nach den Vorschriften des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung. Eine vollständige oder teilweise Auszahlung des Rückkaufswertes zöge zudem arbeits- und steuerrechtliche Konsequenzen nach sich. Außerdem ist der Antragsgegner nach seinen Einkommensverhältnissen in der Lage, die voraussichtlichen Verfahrenskosten über Ratenzahlungen aufzubringen, so dass ihm auch deswegen die vorzeitige Auflösung bzw. der Rückkauf der Lebensversicherung nicht zuzumuten ist und zunächst einmal Prozesskostenhilfe gewährt wird (vgl. auch hierzu OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.11.2004 - 5 WF 190/04, OLG Report Frankfurt 2005, 562 [563], m.w.N.). Dem steht unter Berücksichtigung der vorgelegten Schätzungsurkunde auch nicht das Grundeigentum an seinem Einfamilienhaus entgegen, das zum gem. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII geschützten Vermögen gehört und somit nicht einzusetzen ist.
Die Höhe der festgesetzten monatlichen Raten von 60 EUR resultiert aus folgender Berechnung: Der Antragsgegner erzielt ein Nettoeinkommen von durchschnittlich monatlich 1.459,71 EUR zzgl. Mieteinnahmen von 125 EUR. Das ihm zustehende Kindergeld i.H.v. 154 EUR wird ihm nur i.H.v. 105 EUR als weiteres Einkommen zugerechnet (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 26.1.2005 - XII ZB 234/03, MDR 2005, 767 = BGHReport 2005, 737 = FamRZ 2005, 605). Das restliche Kindergeld von 49 EUR wird zur Abdeckung des Unterhaltsbedarfs der bei ihm lebenden Tochter X. benötigt, soweit dieser Bedarf mit dem Freibetrag von 266 EUR nach der Bekanntmachung zu § 115 ZPO (2. PKHB 2005 vom 22.3.2005) noch nicht ausreiche...