Leitsatz (amtlich)
1.
Die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme setzt zweifelsfreie Feststellung eines schuldhaften Verstoßes des Gefangenen gegen ihm obliegende Pflichten voraus. Ein bloßer Verdacht, selbst wenn er sich durch bestimmte Anhaltspunkte erhärtet haben mag, reicht nicht aus.
2.
Eine zeitweise Ablösung des Gefangenen wegen Drogenmissbrauchs im Wege der Disziplinarmaßnahme (§103 I Nr. 7 StVollzG) kann nicht auf eine bloße immunolgische Untersuchung (Immunassay) - auch wenn diese durch einen zweiten Immunassay bestätigt wird - gestützt werde. Vielmehr muss im Falle eines positiven Befundes und dagegen erhobener Einwendungen des Gefangenen die Urinprobe in einem aufwendigeren Verfahren (etwa Gaschromatographie) ein zweites Mal untersucht oder aber eine Haaranalyse durchgeführt werden.
3.
Die dauerhafte Entfernung eines Gefangenen von seinem ihm zuvor rechtmäßig zugewiesenen Arbeitsplatz wegen nunmehr fehlender Eignung auf Grund Drogenmissbrauchs kann nur unter den Voraussetzungen des entsprechend anwendbaren § 49 II VwVfG erfolgen. Als Grundlage für den dafür zumindest erforderlichen schwerwiegenden Verdacht des Betäubungsmittelabusus reicht auch hier eine bloße - auch wiederholte - immunchemische Urinuntersuchung nicht aus.
Verfahrensgang
LG Gießen (Entscheidung vom 19.08.2004; Aktenzeichen 2. StVK-Vollz.682/04) |
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird unter Aufrechterhaltung der Aufhebung der Disziplinarverfügung der Antragsgegnerin vom 13.05.2004 und der Festsetzung des Gegenstandswertes aufgehoben
1.
soweit die Antragsgegnerin verpflichtet worden ist, den Antragsteller wieder als Krankenrevierhelfer in ihrem Bezirkskrankenhaus einzusetzen und ihm den durch die Ablösung von diesem Arbeitsplatz entgangenen Arbeitslohn zu ersetzen;
2.
hinsichtlich der Kostenentscheidung. Der Antrag des Antragstellers, ihm den seit der Ablösung entgangenen Arbeitslohn zu ersetzen, wird als unzulässig verworfen.
Im übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen.
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Antrag des Antragstellers, ihn wieder an seinem früheren Arbeitsplatz als Krankenrevierhelfer einzusetzen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.
Von den Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Antragstellers haben dieser ein Drittel und die Staatskasse zwei Drittel zu tragen.
Die Kosten des ersten Rechtszugs einschließlich der insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Antragstellers werden diesem zu 2/5 und der Staatskasse zu 3/5 auferlegt.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 500 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Durch Verfügung der Antragsgegnerin vom 26.04.2004 wurde der Antragsteller (vorläufig) von seiner bis dahin ausgeübten Arbeit als Krankenrevierhelfer im Bezirkskrankenhaus der Justizvollzugsanstalt abgelöst. Zuvor hatte eine durch die Gemeinschaftspraxis Dr. med. A, O 2, durchgeführte immunchemische Untersuchung einer dem Antragsteller am 21.04.2004 anläßlich einer Verdachtskontrolle abgenommenen Urinprobe einen positiven Befund im Hinblick auf "Haschisch/Cannabin" ergeben.
Gegen diese Verfügung und weitere aufgrund des Testbefunds angeordnete Maßnahmen (Verlegung auf eine andere Station und Anordnung von Trennscheibenbesuch), die nicht Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens sind, hat der Antragsteller mit Schreiben vom 29.04.2004 auf gerichtlich Entscheidung angetragen und die Verpflichtung der Anstalt begehrt, ihn wieder an seinem bisherigen Arbeitsplatz einzusetzen und ihm den seit der Ablösung entgangenen Arbeitslohn zu ersetzen. Eine am 06.05.2004 auf Wunsch des Antragstellers abgenommene zweite Urinprobe ergab - unter Verwendung des gleichen immunologischen Testverfahrens - wiederum einen positiven Befund. Daraufhin ordnete der Anstaltsleiter durch Disziplinarverfügung vom 13.05.2004 - nach Anhörung des Antragstellers und Durchführung der Disziplinarkonferenz - die Ablösung des Antragstellers von seiner Arbeit im Krankenhaus für die Dauer von vier Wochen an.
Mit dem angefochtenen Beschluß hob die Strafvollstreckungskammer unter anderem diese Disziplinarverfügung auf und sprach die Verpflichtung aus, den - nach der Ablösung zunächst in einem Unternehmerbetrieb der Anstalt und seit dem 01.06.2004 (mit einer höheren Vergütungsstufe) in seinem erlernten Beruf als Maler eingesetzten - Antragsteller wieder als Krankenrevierhelfer im Bezirkskrankenhaus einzusetzen sowie ihm den durch die Ablösung von diesem Arbeitsplatz entgangenen Arbeitslohn zu ersetzen.
II.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht erhobene und in gleicher Weise mit der Sachrüge begründete Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin, die auch im übrigen zulässig ist (§ 116 Abs. 1 StVollzG). Die Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.
Die Rechtsbeschwerde hat mit der erhobenen Sachrüge zum Teil Erfolg.
1.
Die Aufhebung der Disziplinarverfügung der Antragsgegnerin vom 13.05.2004 e...