Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen, unter denen die Justizvollzugsanstalt einen Gefangenen gegen seinen Willen dauerhaft von der ihm zugewiesenen Arbeit ablösen kann.
Normenkette
JVollzGB III § 42
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Entscheidung vom 22.11.2019; Aktenzeichen H 9 StVK 1394/18) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts Heilbronn vom 22. November 2019 aufgehoben, soweit er den Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Verurteilten gegen die Ablösung von der Arbeit zurückgewiesen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Rechtssache an die Strafvollstreckungskammer zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen.
Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller verbüßt im geschlossenen Strafvollzug der Antragsgegnerin eine lebenslange Freiheitsstrafe. Er war seit vielen Jahren in der Anstaltsküche als Vorarbeiter beschäftigt. Die Hausordnung der Antragsgegnerin enthält unter Ziffer 5.7 folgende Bestimmung: "Unter Gefangenen sind Geschäfte jeder Art, wie Leihe, Tausch, Schenkung, Miete, Kauf etc. im Wert von mehr als 5 € verboten; dies gilt auch dann, wenn die Bezahlung oder Übergabe außerhalb der Anstalt durch Dritte stattfinden soll."
Im Oktober 2018 behauptete ein Gefangener in einem anonymen Schreiben an die Leitung der Antragsgegnerin, der Antragsteller nutze seine Stellung als Vorarbeiter in der Küche aus, um von Gefangenen Geld zu erpressen. Die Antragsgegnerin überprüfte daraufhin die Bestellformulare für den Einkauf und die Kontoauszüge des Antragstellers. Danach bestellte dieser im Juli 2018 allein 30 und im Juli 2018 weitere 50 Schachteln Zigaretten zum Stückpreis von 6,40 €. Auf das Konto wurden von einem C. monatlich 500 € eingezahlt. Am 29. Oktober 2018 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zu den Vorwürfen an.
Am 30. Oktober 2018 wandte sich ein Gefangener, der in der Küche arbeitete, an Bedienstete der Antragsgegnerin und gab an, der Antragsteller habe von ihm die Überweisung von 160 € verlangt, da er ihm die Arbeitsstelle in der Küche zu verdanken habe. Der Antragsteller habe ihm angekündigt, er werde dafür sorgen, dass er in der Küche abgelöst werde, wenn er nicht bezahle.
Die Antragsgegnerin verhängte am 2. November 2018 als Disziplinarmaßnahme zwei Wochen Freizeitsperre, getrennte Unterbringung während der Freizeit und TV-Entzug. Nach ihren Feststellungen hat der Antragsteller jedenfalls im Juni und Juli 2018 entgegen § 63 Abs. 1 JVollzGB III und Ziffer 5.7 der Hausordnung Geschäfte unter Gefangenen betrieben. Dies folgerte sie aus dem unverhältnismäßig hohen Umfang des Einkaufs von Lebensmitteln und Tabak, der über den Eigenbedarf hinausgeht. Daneben verfügte sie als vollzugliche Maßnahmen "Ablösung vom Betrieb. Warteliste ohne Taschengeld. Verlegung in das Stammhaus." Die Disziplinarmaßnahme wurde vollzogen. Der Antragsteller wurde von seiner Arbeit in der Küche abgelöst und war eine Zeit lang ohne Beschäftigung und Taschengeldbezug.
Gegen die Maßnahmen der Antragsgegnerin hat sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 5. November 2018 gewandt.
Der Antragsteller hat bestritten, Mitgefangene erpresst zu haben. Das anonyme Schreiben habe ein Mitgefangener verfasst, der im September 2018 von der Arbeit in der Küche abgelöst worden sei. Der Mitgefangene gebe ihm die Schuld daran und habe durch seine erfundenen Vorwürfe erreichen wollen, dass er, der Antragsteller, von der Arbeit in der Küche abgelöst werde. Der Antragsteller hat geltend gemacht, zur Ablösung von der Arbeit nicht ausreichend angehört worden zu sein. Vom Erpressungsvorwurf, den ein weiterer Gefangener am 30. Oktober 2018 erhoben hat, habe er keine Kenntnis gehabt. Gleichwohl habe die Antragsgegnerin ihre vollzugliche Maßnahme, ihn von der Arbeit in der Küche abzulösen, auch darauf gestützt. Der Gefangene, den der Antragsteller namentlich benannt hat, hätte es auf seine Stelle in der Küche abgesehen gehabt. Durch die Ablösung von der Arbeit in der Küche und die Verlegung auf eine andere Abteilung habe er auch seine Tätigkeit als Hilfsreiniger verloren. Er habe drei Monate keine Arbeitseinkünfte und kein Taschengeld erhalten. Insgesamt seien ihm Einnahmen von 4.000 € entgangen. Zuvor habe er Grundlohn nach der Vergütungsstufe V mit einer Leistungszulage von 18 % erhalten.
Weiter hat der Antragsteller bestritten, mit anderen Gefangenen Geschäfte gemacht zu haben. Er hat vorgetragen, der Einkauf sei für seinen Eigenbedarf bestimmt gewesen. Er habe anderen Gefangenen lediglich Schenkungen im zulässigen Umfang gemacht.
Der Antragsteller hat beantragt festzustellen, dass die von der Antragsgegnerin verhängte 14-tägige Freizeitsperre und das 14-tägige Fernsehverbot sowie die dauerhafte Ablösung von der Arbeit in der Küche rechtswidrig waren. Weiter hat er beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn hinsichtlich der Arbei...