Leitsatz (amtlich)

1. § 26 JVollzGB III ist auch die Ermächtigungsgrundlage für das Anhalten anstaltsinternen Schriftverkehrs.

2. Allein das abstrakte Reden über ein Werk, das in der Rechtsprechung vereinzelt als vollzugsfeindlich eingeordnet wurde, ist nicht geeignet, eine Gefährdung der (Wieder-)Eingliederung oder gar eine Gefahr für die Anstaltsordnung zu begründen.

 

Normenkette

JVollzGB III BW § 26

 

Verfahrensgang

LG Ravensburg (Entscheidung vom 02.07.2020; Aktenzeichen 1 StVK 352/20)

 

Tenor

  1. Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - Ravensburg vom 2. Juli 2020

    aufgehoben.

  2. Es wird festgestellt, dass die Anhalteverfügung der Justizvollzugsanstalt R. vom 27. April 2020 rechtswidrig gewesen ist.
  3. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Antragstellers werden der Staatskasse auferlegt.
 

Gründe

I.

Dem Antragsteller, der sich im geschlossenen Strafvollzug der Antragsgegnerin befindet, wurde am 28. April 2020 ein von ihm am 21. April 2020 per Hauspost an einen Mitgefangenen gesendeter Brief zurückgegeben, nachdem dieser am 27. April 2020 durch die Anstaltsleitung angehalten worden war. Der Brief enthielt folgende beanstandete Passagen:

"... Dem Hussels- Einhorn Eichhorn (muß ja korrekt sein, ha ha ha) habe ich über's WE nen persönlichen Brief geschrieben ...

... Stichwort "Buch". Ich habe mal zum Spaß noch eines bestellt - und jetzt halt Dich fest, sogar bekommen, ganz ordnungsgemäß über die Kammer mit Marke. ...Aber Dir bringt das Buch ja eh nichts, die Anstalt sagt doch ganz offen, dass es zur Resozialisierung nicht dient ... und ich les es ja nur zum Spaß ha ha...

... Ach ja, das mit den Ziffern (Du weist was ich meine) hat geklappt. Eigentlich könnte die weitere Beschwerde wegen dem VT abgeblasen werden, aber jetzt habe ich Spaß daran gefunden es auch durchzuziehen bis alle Lampen leuchten ..."

Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, ihre Verfügung beruhe auf § 26 Abs. 1 Nr. 1, 5, 6 JVollzGB III.

Gegen diese Maßnahme hat sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 8. Mai 2020 an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Ravensburg gewendet. Der Antragsteller hat vorgetragen, den in Rede stehenden Brief am 28. Mai 2020 an seinen ehemaligen, mittlerweile in Freiheit befindlichen, Mitgefangenen versendet zu haben. Der Inhalt des Briefes habe dessen Anhaltung im Rahmen des anstaltsinternen Schriftverkehrs indes nicht gerechtfertigt. Es sei nicht verboten, über ein Buch zu schreiben, welches dem Briefpartner überdies ohnehin bekannt sei. Die Ausführungen zu den Ziffern bezögen sich nicht auf den Videotext. Es sei insoweit um eine andere Sache gegangen. Die Sicherheit und Ordnung der Anstalt sei durch den Brief ebenso wenig gefährdet worden wie die Eingliederung des kurz vor der Entlassung stehenden Mithäftlings. Bei alledem sei auch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung im Blick zu behalten. Nachdem der angehaltene Brief an den zwischenzeitlich entlassenen Mitgefangenen abgeschickt worden war, hat der Antragsteller beantragt, die Rechtswidrigkeit der Anhalteverfügung festzustellen.

Die Antragsgegnerin hat sinngemäß beantragt, den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen. Die Verfügung vom 27. April 2020 sei dem Antragsteller am 28. April 2020 mit einer Begründung eröffnet worden. Er habe grundsätzlich keinen Anspruch auf einen schriftlichen Bescheid, sondern nur einen solchen auf eine (mündliche) Begründung. Der Antragsteller habe die Verfügung jedoch sogar selbst durchlesen dürfen. Der Inhalt des Briefes gefährde die Sicherheit und Ordnung der Anstalt. Sein Inhalt könnte die Eingliederung eines anderen Gefangenen gefährden und sei teilweise "verklausuliert/zweideutig". Der Antragsteller habe in seinem Schreiben an den Mitgefangenen vom 21. April 2020 auf ein von ihm - dem Antragsteller - über die Kammer mit Paketmarken bestelltes Buch Bezug genommen, dessen Titel er nicht genannt, bei dem aber der Verdacht bestanden habe, dass es sich um ein in der Anstalt verbotenes Werk handele, was sich bei einer nachfolgenden Haftraumkontrolle auch bestätigt habe. Dem Antragsteller sei das entsprechende Besitzverbot bei alldem bekannt gewesen. Da das vom Antragsteller in seinem Schreiben angesprochene Buch vollzugsfeindliche Tendenzen aufweise und dessen Inbezugnahme sich gegenüber seinem Mitgefangenen als animierend darstelle, sei das Schreiben insoweit geeignet, die Anstaltsordnung wie auch die Eingliederung des Mitgefangenen zu gefährden. Mit "Hussels-Einhorn Eichhorn" sei der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer gemeint gewesen. Mit den in dem Brief genannten Ziffern ("du weißt was ich meine") habe sich der Antragsteller offensichtlich auf den in der Anstalt verbotenen Empfang von Videotext bezogen. Auch dieses Verbot sei dem Antragsteller bekannt gewesen. Eingedenk der "Vorgeschichte", welche der Antragsteller mit dem (begehrten) Empfang von Videotext in der Anstalt habe, habe zu befürchten gestan...

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