Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an den Erlass einer Unterlassungsverfügung gegen gesundheitsbezogene Wirksamkeitsaussagen
Leitsatz (amtlich)
Ein auf die Untersagung gesundheitsbezogener, als irreführend angegriffener Wirksamkeitsaussagen gerichteter Verfügungsantrag hat Erfolg, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass die Wirksamkeit des beworbenen Mittels oder Verfahrens wissenschaftlich umstritten ist, und der Antragsgegner die wissenschaftliche Absicherung nicht darlegt und glaubhaft macht.
Normenkette
HWG § 3
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 24.10.2018; Aktenzeichen 2-6 O 379/18) |
Tenor
1.) Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24.10.218 abgeändert.
Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Verfügung wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung bei Meidung eines vom Gericht für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, untersagt, im geschäftlichen Verkehr für eine "X Analyse" zu werben:
1. mit der Bezeichnung "Stoffwechselanalyse",
2. "Das nichtinvasive Mess-System ermöglicht es Ihnen, schnell und unkompliziert viele Informationen über Ihren Körper zu erfahren. Sie erhalten einen Soll/Ist-Vergleich. Was ist zu wenig, ausreichend, zu viel?",
3. "Gemessen werden ..."
3.1. "Organfunktionen",
3.2. "Stoffwechselprozesse",
3.3. "Vitaminversorgung",
3.4. "Mineralversorgung",
3.5. "Proteinhaushalt",
3.6. "Cholesterin",
3.7. "Magen-Darm-Funktion",
3.8. "Darmbakterien",
3.9 "Immunsystem",
3.10. "Übersäuerung",
3.11. "Schadstoffbelastung",
4. "Sofort danach erhalten Sie Ihre Stoffwechselanalyse und können ganz gezielt Einfluss auf Schwachstellen und Mängel Ihres Körpers nehmen und ihn positiv unterstützen.",
5. "Die Analyse hat eine hohe Übereinstimmung mit aufwendigen medizinischen Untersuchungen",
6. "Durch Nachmessungen kann die Entwicklung Ihrer Stoffwechselwerte objektiv verfolgt werden.",
7. "Gleichen Sie Stress und hohe Leistungsanforderungen gezielt mit natürlichen Energiequellen aus. Optimieren sie ihren Stoffwechsel und Sie erhalten eine höhere Leistungsfähigkeit, verkürzte Regenerationszeiten, sowie positive Beeinflussungen von Stoffwechselstörungen u.a. wie Müdigkeit und Antriebsschwäche, Muskel- und Gelenkbeschwerden, Migräne, Hautprobleme, Kreislaufbeschwerden, Magen-Darmbeschwerden.",
jeweils wenn dies geschieht wie im Internet unter www.(...).de, abgerufen und ausgedruckt am 20. September 2018 gegen 14.06 Uhr bis 14.07 Uhr gemäß Anlage A 3.
2.) Die Kosten des Eilverfahrens trägt der Antragsgegner.
3.) Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 34.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller ist ein rechtsfähiger Verband. Der Antragsgegner betreibt die Internetseite www.(...).de, auf der er die von ihm angebotenen Dienstleistungen eines "Medizinischen Trainings Zentrums" bewirbt. Dort bewirbt er u.a. eine "X Stoffwechselanalyse" mit den im Antrag wiedergebenen Wirkungsangaben (Anlage A 3). Nach den Angaben des Antragsgegners erfolgt die Messung über eine Sonde, die 60 Sekunden in der Hand gehalten wird, woraufhin eine Auswertung von 240 Parametern des Körpers erfolgen soll, u.a. "strukturelle Bestandteile" Organfunktionen, Stoffwechselprozesse, Vitamin- und Mineralversorgung, Proteinhaushalt, Magen-Darm-Funktion, Immunsystem etc.
Der Antragsteller behauptet, die ausgelobten Wirkungen seinen irreführend, da sie fachlich umstritten seien, ohne dass der Antragsgegnerin hierauf hingewiesen habe.
Das Landgericht hat den Verfügungsantrag zurückgewiesen. Der Antragsteller habe nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die beworbene Wirkungsweise des Gerätes nicht hinreichend wissenschaftlich belegt sei.
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Unterlassungsantrag weiter. Der Antragsgegner, dem vom Senat im Beschwerdeverfahren rechtliches Gehör gewährt wurde, beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 8 I, III Nr. 2 UWG zu, da die Werbeaussagen des Antragstellers nach § 3 S. 1 HWG irreführend sind. Nach dem Sach- und Streitstand im Beschwerdeverfahren ist davon auszugehen, dass die Werbeaussagen des Antragsgegners wissenschaftlich umstritten sind.
1.) Nach § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG liegt eine unzulässige irreführende Werbung insbesondere dann vor, wenn Verfahren und Behandlungen eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkung beigelegt werden, die sie nicht haben. Insoweit sind - wie allgemein bei gesundheitsbezogener Werbung - besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage zu stellen, da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können (BGH, Urteil vom 6. Februar 2013 - I ZR 62/11, WRP 2013, 772 ff., Rn. 1...