Entscheidungsstichwort (Thema)
Irreführende Werbung mit Gesundheitsbezug: Anforderungen an die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast im Eilverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Hängt die Qualifizierung einer gesundheitsbezogenen Werbung als irreführend davon ab, ob eine Wirkungsaussage fachlich umstritten und hinreichend wissenschaftlich abgesichert ist, ist das Eilverfahren zur Geltendmachung eines entsprechenden Unterlassungsanspruchs nicht von vornherein ungeeignet, weil dem Werbenden die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast für die wissenschaftliche Absicherung obliegt. Den sich daraus ergebenden Schwierigkeiten im Eilverfahren kann und muss gegebenenfalls durch sachgerechte Anforderungen an den Grad der Glaubhaftmachung Rechnung getragen werden.
2. Wenn sich in dem unter Ziffer 1. genannten Fall der Verfügungsanspruch gegen Wirksamkeitsaussagen für seit langem angewandte Behandlungsmethoden richtet, hat der Antragsteller zunächst substantiiert darzutun, dass diese Aussagen fachlich umstritten sind.
Normenkette
HWG § 3
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 07.12.2015; Aktenzeichen 2-6 O 423/15) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des LG Frankfurt am Main vom 7.12.2015 teilweise abgeändert.
Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Verfügung wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung bei Meidung eines vom Gericht für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, weiter untersagt, im geschäftlichen Verkehr
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des Eilverfahrens erster Instanz haben zu 5/7 der Antragsteller und zu 2/7 der Antragsgegner zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat zu 5/6 der Antragsteller und zu 1/6 der Antragsgegner zu tragen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf EUR 21.000,00 festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller ist ein rechtsfähiger Verband. Der Antragsgegner ist Facharzt für Orthopädie. Er warb mit den aus der Anlage A3 ersichtlichen Angaben im Internet für verschiedene Behandlungen. Auf die Abmahnung des Antragstellers hat er die aus den Anlagen A22 und A23 ersichtlichen Teilunterlassungserklärungen abgegeben.
Auf Antrag des Antragstellers hat das LG dem Antragsgegner mit Beschluss - einstweilige Verfügung - vom 7.12.2015 gemäß dem Antrag zu 7. der Antragsschrift untersagt, für das Behandlungsverfahren der Akupunktur mit bestimmten Anwendungsgebieten zu werben. Im Übrigen (Anträge zu 1. bis 6.) hat es den Eilantrag zurückgewiesen. Im Hinblick auf die aus den Anlagen A22 und A23 ersichtlichen Teilunterlassungserklärungen fehle es an der Wiederholungsgefahr. Außerdem fehle es am Verfügungsgrund, weil das Eilverfahren für das Führen von Wirksamkeitsnachweisen ungeeignet sei.
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller die vom LG zurückgewiesenen Unterlassungsanträge weiter. Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
Die Beschwerde hat nur zum Teil Erfolg.
1. Es besteht ein Verfügungsgrund.
Die Dringlichkeit wird nach § 12 II UWG vermutet. Entgegen der Ansicht des LG fehlt es an dem Verfügungsgrund als besonderer Form des Rechtsschutzbedürfnisses nicht deshalb, weil der Verfahrensgegenstand für das Eilverfahren "ungeeignet" ist. Die Ungeeignetheit kann insbesondere nicht aus dem Umstand abgeleitet werden, dass ein positiver oder negativer Vollbeweis der Wirksamkeit eines Behandlungsverfahrens im Eilverfahren nicht geführt werden kann. Die Frage der hinreichenden Glaubhaftmachung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Glaubhaftmachung, dass eine gesundheitsbezogene Angabe nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht, obliegt zunächst dem Antragsteller als Unterlassungsgläubiger. Lässt sich die fachliche Umstrittenheit mit den im Eilverfahren zugelassenen Mitteln nicht hinreichend glaubhaft machen, fehlt es am Verfügungsanspruch. Dies muss jeweils im Einzelfall geprüft werden und nimmt dem Eilantrag nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Bestehen ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner mit einer fachlich zumindest umstrittenen Meinung geworben hat, ohne auf die fehlende wissenschaftliche Absicherung hinzuweisen, kommt es zu einer Umkehrung der Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast (vgl. - für das Hauptsacheverfahren - BGH GRUR 2013, 649 Rn. 32 [BGH 06.02.2013 - I ZR 62/11] - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil). Der Antragsgegner muss die wissenschaftliche Absicherung seiner Aussagen glaubhaft machen. Dies ist grundsätzlich auch mit den Mitteln des Eilverfahrens möglich, weil die wissenschaftliche Absicherung des Wirkungsversprechens bereits im Zeitpunkt der Werbung dokumentiert sein muss. Auch im Hauptsacheverfahren reicht es nicht aus, wenn er sich erst im Prozess auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens beruft (OLG Frankfurt, OLG- RR 2003, 295; OLG Hamm, GRUR-RR 2014, 412; Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 5 Rn. 3.26). Etwaigen Schw...