Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an den Erlass einer Unterlassungsverfügung gegen gesundheitsbezogene Wirksamkeitsaussagen
Leitsatz (amtlich)
1. Ein auf die Untersagung gesundheitsbezogener, als irreführend angegriffener Wirksamkeitsaussagen gerichteter Verfügungsantrag hat Erfolg, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass die Wirksamkeit des beworbenen Mittels oder Verfahrens wissenschaftlich umstritten ist, und der Antragsgegner von der ihm eröffneten Möglichkeit zur Stellungnahme keinen Gebrauch macht.
2. Zur Frage, welche Anforderungen an die Glaubhaftmachung im Sinne von Ziffer 1. zu stellen sind
Normenkette
HWG § 3
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 29.11.2018; Aktenzeichen 2-6 O 394/18) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29.11.2018 teilweise abgeändert.
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung bei Meidung eines vom Gericht für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, untersagt, im geschäftlichen Verkehr für eine Magnetfeldtherapie, insbesondere für eine "BEMER*-Therapie" zu werben:
"Für die Erhaltung und Wiederherstellung Ihrer Gesundheit sind gut funktionierende Heilungs- und Regenerationsprozesse wichtig. Diese entfalten sich am besten in einem gut durchbluteten Gewebe, weil durch den Abtransport von Nährstoffen und Sauerstoff mit dem Blut die für die Heilung benötigte Energie in der Zelle vor Ort gebildet werden kann. Die physikalische Gefäßtherapie BEMER* stellt sicher, dass die Feindurchblutung im ganzen Körper, vor allen Dingen aber im verletzten Gewebe, wirksam gesteigert wird und die natürlichen Heilungsprozesse maximal ablaufen können."
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des Eilverfahrens beider Instanzen haben die Parteien je zur Hälfte zu tragen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf EUR 15.000,00 festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller ist ein rechtsfähiger Verband. Die Antragsgegnerin ist Physiotherapeutin. Sie warb mit den aus der Anlage A3 ersichtlichen Angaben im Internet für verschiedene Behandlungen, unter anderem für eine "Bemer Therapie" sowie für eine "Kinesio Tape"-Behandlung mit den im Verfügungsantrag dargestellten Angaben. Auf die Abmahnung des Antragstellers hat die Antragsgegnerin nicht reagiert.
Das Landgericht hat den Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom 29.10.2018 zurückgewiesen. Der dagegen gerichteten Beschwerde des Antragstellers hat es mit Beschluss vom 20.11.2018 nicht abgeholfen.
Der Antragsteller beantragt,
den angefochtenen Beschluss abzuändern und folgende einstweilige Verfügung zu erlassen:
Der Antragsgegnerin wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, untersagt, im geschäftlichen Verkehr
1. für eine Magnetfeldtherapie, insbesondere für eine "BEMER*-Therapie" zu werben:
"Für die Erhaltung und Wiederherstellung Ihrer Gesundheit sind gut funktionierende Heilungs- und Regenerationsprozesse wichtig. Diese entfalten sich am besten in einem gut durchbluteten Gewebe, weil durch den Abtransport von Nährstoffen und Sauerstoff mit dem Blut die für die Heilung benötigte Energie in der Zelle vor Ort gebildet werden kann. Die physikalische Gefäßtherapie BEMER* stellt sicher, dass die Feindurchblutung im ganzen Körper, vor allen Dingen aber im verletzten Gewebe, wirksam gesteigert wird und die natürlichen Heilungsprozesse maximal ablaufen können.",
2. für eine "Kinesio Tape"-Behandlung mit dem Anwendungsgebiet zu werben:
2.1. "Schmerzen",
2.2. "Lymphödem",
jeweils wenn dies geschieht wie im Internet unter www.(...).de, abgerufen und ausgedruckt am 25. September 2018 zwischen 19:12:26 Uhr bis 19:12:51 Uhr, gemäß Ausdruck Anlage A 3.
Der Senat hat der Antragsgegnerin unter Übersendung der Antragsschrift, der Beschwerdeschrift und der Beschlüsse des Landgerichts vom 29.10. und 20.11.2018 Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Davon hat sie keinen Gebrauch gemacht.
II. Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache zum Teil Erfolg.
1. Die Dringlichkeit wird nach § 12 II UWG vermutet.
2. Dem Antragsteller steht gegen die Antragsgegnerin ein Unterlassungsanspruch im tenorierten Umfang aus §§ 3, 3a, 8, I, III Nr. 2 UWG, 3 Nr. 1 HWG zu.
a) Der Antragsteller ist nach § 8 III Nr. 2 UWG klagebefugt. Er ist ein rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen seiner Mitglieder. Der BGH hat immer wieder anerkannt, dass er nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande ist, seine satzungsgemäßen Aufgaben tatsächlich wahrzunehmen. Hierfür spricht eine Vermutung (vgl. BGH GRUR 1997, 476 [BGH 14.11.1996 - I ZR 1...