Leitsatz (amtlich)

Staatliche Transferleistungen ohne Entgeltersatzfunktion wie die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II oder dem SGB XII sind im Rahmen der Wertfestsetzung in Ehesachen und in der Folgesache Versorgungsausgleich nicht als werterhöhendes Einkommen zu berücksichtigen.

 

Normenkette

FamGKG §§ 43, 50 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Wiesbaden (Beschluss vom 25.09.2014; Aktenzeichen 530 F 188/13)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Mit seiner am 11.11.2014 beim AG eingegangenen Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Festsetzung der in den §§ 43 Abs. 1 Satz 2, 50 Abs. 1 Satz 2 genannten Mindestwerte für die zwischen den Beteiligten rechtshängig gewesene Ehesache und die Folgesache Versorgungsausgleichs und begehrt unter Zugrundelegung von beiden Beteiligten monatlich bezogener Sozialleistungen von 2.036 EUR die Festsetzung eines Werts von 6.108 EUR für die Ehesache und - ausgehend von zwei Versorgungsanrechten - von 1.221,60 EUR für die Folgesache Versorgungsausgleich.

Tatsächlich bezog die Antragsgegnerin im Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags am 16.10.2013 ausweislich der von beiden Beteiligten vorgelegten Verfahrenskostenhilfeunterlagen Arbeitslosengeld I von 445,50 EUR monatlich und ergänzende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II i.H.v. 490,01 EUR monatlich. Darüber hinaus gehende Leistungen wurden für die beiden Töchter gewährt. Der Antragsteller bezog ausschließlich Leistungen der Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II i.H.v. 715,85 EUR monatlich.

Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Der an sich zuständige Einzelrichter hat die Entscheidung über die Beschwerde durch Beschluss vom 6.2.2015 wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache auf den Senat übertragen.

Die Beschwerde ist gem. §§ 32 Abs. 2 RVG, 59 Abs. 1 FamGKG zulässig, jedoch in der Sache unbegründet.

Gemäß § 43 Abs. 1 FamGKG ist in Ehesachen der Verfahrenswert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Ehegatten, nach Ermessen zu bestimmen. Der Wert darf nicht unter 3.000 EUR bestimmt werden. Nach § 43 Abs. 2 GKG ist für die Einkommensverhältnisse das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Ehegatten einzusetzen.

In Versorgungsausgleichssachen beträgt der Verfahrenswert gem. § 50 Abs. 1 FamGKG für jedes Anrecht zehn Prozent des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens der Ehegatten, mindestens jedoch 1.000 EUR.

Ob es sich bei staatlichen Transferleistungen ohne Entgeltersatzfunktion, also insbesondere bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und dem SGB XII, um (werterhöhendes) Einkommen i.S.d. §§ 43 Abs. 2, 50 Abs. 1 Satz 1 FamGKG handelt, ist umstritten.

Zum Teil wird vertreten, jegliche staatliche Sozialleistungen seien als Einkommen zu behandeln (z.B. OLG Celle, NJW 2010, 3587; OLG Celle, Beschl. v. 17.12.2013 - 12 WF 92/13 - zitiert nach juris; OLG Zweibrücken, FamRZ 2011, 992; OLG Brandenburg FamRZ 2013, 2009; OLG Köln, FamRZ 2009, 638; OLG Düsseldorf, FamRZ 2009, 453; OLG Hamm, FamRZ 2006, 632; OLG Frankfurt, FamRZ 2008, 535 (soweit den Sozialleistungen kein übergegangener Unterhaltsanspruch gegen den anderen Ehegatten gegenübersteht); Dürbeck in BeckOK Streitwert Ehesachen, Rz. 8 m.w.N.; Klüsener in: Prütting/Helms, FamFG, 2. Aufl. 2011, § 43 FamGKG Rz. 12 f.; Thiel in: Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 13. Aufl. 2011, Rz. 7144 m.w.N.). Zur Begründung wird ausgeführt, eine Beschränkung auf Erwerbseinkommen sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Im Übrigen sei ein Abstellen auf den Mindestwert für die Verfahrensbevollmächtigten nicht hinnehmbar, weil dieser von 1975 bis 2013 überhaupt nicht angehoben und 2013 nur von 2.000 auf 3.000 EUR angehoben worden sei.

Nach der Gegenmeinung (u.a. OLG Frankfurt, BeckRS 2014, 01627; OLG Köln, BeckRS 2014, 00233; OLG Bremen FamRZ 2012, 239; OLG Hamm FamRZ 2012, 897; OLG Stuttgart FamRZ 2011, 1810; OLG Saarbrücken MDR 2013, 1231; OLG Karlsruhe, FamRZ 2002, 223; OLG Oldenburg, FamRZ 2009, 1173; OLG Celle FamRZ 2012, 240; OLG Naumburg, FuR 2012, 207; OLG Schleswig, famRZ 2010, 1939; OLG Dresden FamRZ 2010, 1939; OLG Jena FamRZ 2010, 1934; KG, FamRZ 200, 1854; Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., Anh. § 3. "Ehesachen", m.w.N.) haben staatliche Transferleistungen ohne Entgeltersatzfunktion unberücksichtigt zu bleiben. Zur Begründung wird ausgeführt, die gebührenrechtliche Bezugnahme auf das Einkommen knüpfe an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eheleute an. Diese werde nicht von staatlichen Transferleistungen bestimmt, deren Höhe sich nicht an zuvor erzieltem Erwerbseinkommen, sondern ausschließlich am Grundbedarf des Empfängers orientiere. Andernfalls liefe der vom Gesetzgeber festgelegte Mindestwert weitgehend ins Leere.

Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung, weil nur sie der vom Gesetzgeber gewollten Anknüpf...

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