Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachehelichenunterhalt: Verwirkung des Unterhaltsanspruchs wegen des Lebens in einer verfestigten Lebensgemeinschaft
Normenkette
BGB §§ 313, 1579 Nr. 2
Verfahrensgang
Gründe
I. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des AG - Familiengericht - Kassel vom 22.10.2009 gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss aus folgenden Gründen zurückzuweisen:
Gemäß § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder die gem. § 529 ZPO im Berufungsverfahren zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
Solche erfolgversprechende Berufungsgründe hatte die Beklagte in ihrer Berufungsschrift vom 23.11.2009 indes nicht dargetan.
Zu Recht hat das AG auf die Klage des Klägers den von den Parteien beim AG - Familiengericht - Eschwege am 26.4.2007 unter dem Az.: 56 F 480/06 UE geschlossenen Vergleich dahingehend abgeändert, dass der Kläger der Beklagten bereits ab März 2009 keinen nachehelichen Unterhalt mehr schuldet, und nicht erst ab Januar 2010, wie die Beklagte anerkennt.
Ein nachehelicher Unterhaltsanspruch der Beklagten besteht schon ab März 2009 nicht mehr, weil der Unterhaltsanspruch wegen einer verfestigten Lebensgemeinschaft der Beklagten mit Herrn X gem. § 1579 Nr. 2 BGB zu versagen ist. Insoweit folgt der Senat in vollem Umfange den Ausführungen des AG in den Gründen des angefochtenen Urteils vom 22.10.2009.
Die Voraussetzungen für eine Abänderung des von den Parteien am 26.4.2007 geschlossenen Vergleichs liegen nämlich vor.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH, der sich der Senat anschließt, kann eine Abänderung eines Vergleichs dann verlangt werden, wenn die Geschäftsgrundlage des Vergleichs i.S.d. § 313 BGB gestört worden ist, d.h., wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vergleich nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wobei es einer Veränderung der Umstände gleichsteht, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vergleichs geworden sind, sich als falsch herausstellen (BGH FamRZ 1986, 790, BGHZ 128, 323). Eine wesentliche Veränderung der für den Grund, den Betrag oder die Dauer der Leistung bedeutsamen, bei Vertragsschluss maßgebenden Umstände in vorstehend angeführtem Sinne sind somit auch die zu einer Verwirkung nach § 1579 BGB führenden Umstände, die bis hin zu einer Versagung des Unterhaltsanspruchs führen können.
Die Voraussetzungen für eine Versagung des Unterhaltsanspruchs nach § 1579 Nr. 2 BGB sind vorliegend ab März 2009 gegeben. Danach ist ein Unterhaltsanspruch zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftliches Kindes grob unbillig wäre, weil der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt.
Eine Verwirkung wegen einer verfestigten Lebensgemeinschaft bzw. eine objektive Unzumutbarkeit der Unterhaltsleistung kann sich u.a. dann ergeben, wenn der Unterhaltsberechtigte mit einem neuen Partner über einen längeren Zeitraum hinweg einen gemeinsamen Haushalt führt, mit diesem also gemeinsam wirtschaftet, und der Berechtigte in der neuen Gemeinschaft sein Auskommen findet, faktisch also eine ehegleiche ökonomische Solidarität geübt wird [BGH FamRZ 1995, 540 (542, 543)].
Unabhängig von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des neuen Partners kann ein Verwirkungsgrund darin erblickt werden, dass sich die neue Beziehung in einem solchen Maße verfestigt hat, dass sie als eheähnliches Zusammenleben anzusehen und gleichsam an die Stelle einer Ehe getreten und es daher für den Unterhaltspflichtigen grob unbillig ist, den Unterhaltsberechtigten weiterhin unterhalten zu müssen, obwohl der andere Partner letztlich an seine Stelle getreten ist, wobei insoweit das Erscheinungsbild der neuen Verbindung in der Öffentlichkeit, das die Fortdauer der Unterhaltsbelastung und den damit verbundenen Eingriff in die Handlungsfreiheit und Lebensgestaltung des Unterhaltspflichtigen unzumutbar macht, entscheidend ist [BGHZ FamRZ 1989, 487 (489); FamRZ 2002, 810 (811, 812)]. Dabei setzt eine derartige Verfestigung der Beziehung grundsätzlich eine gewisse Mindestdauer der Verbindung voraus, weil sich ansonsten in der Regel nicht verlässlich beurteilen lässt, ob die Partner auf Dauer in einer verfestigten Gemeinschaft leben und nach dem Erscheinungsbild dieser Beziehung in der Öffentlichkeit diese Lebensform bewusst auch für die weitere Zukunft gewählt haben; unter welchen Umständen nach einer gewissen Mindestdauer auf ein eheähnliches Zusammenleben geschlossen werden kann, lässt sich indes nicht allgemein festlegen (BGH Fam...