Leitsatz (amtlich)
1. Zweck der Vorschrift des § 250 Abs. 1 Nr. 1 FamFG ist es sicherzustellen, dass die Bezeichnung der Beteiligten so erfolgt, dass sich keine Verwechslungen ergeben und Zustellung und Vollstreckung der Entscheidung ohne Schwierigkeiten möglich sind.
2. Mit Blick auf diesen Zweck des § 250 Abs. 1 Nr. 1 FamFG führen weder die fehlende Nennung des Betreuers im Antrag noch die unterbliebene Angabe der Verfahrensbevollmächtigten für sich genommen zur Unzulässigkeit des Verfahrens.
3. Die fehlende Angabe des Betreuers im Festsetzungsantrag führt nur dann zu einer fehlerhaften Zustellung an den Betroffenen, wenn dieser verfahrensunfähig ist.
4. Auch steht die fehlende Angabe der Bevollmächtigten des Antragsgegners einer wirksamen förmlichen Zustellung des Antrags an den Antragsgegner nicht entgegen. Zwar hat nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Zustellung an den für den Rechtszug bestellten Verfahrensbevollmächtigten zu erfolgen. Dies setzt aber voraus, dass dem die Zustellung Veranlassenden - hier der Rechtspflegerin - die Bestellung des Verfahrensbevollmächtigten bekannt ist.
Normenkette
FamFG §§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 1, § 251; ZPO §§ 170, 170a, 172, 253
Verfahrensgang
AG Gießen (Aktenzeichen 247 FH 223/22) |
Tenor
Der Beschluss vom 01.12.2022 betreffend die Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Kindesunterhalt für E., geb. am XX.XX.2008, wird aufgehoben und der Festsetzungsantrag betreffend E. zurückgewiesen.
Die Beschwerde betreffend die Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt für F., geb. am XX.XX.2012, wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten tragen der Antragsteller und der Antragsgegner je zur Hälfte; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
Der Beschwerdewert wird auf 11.550 Euro festgesetzt.
Dem Antragsgegner wird Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt. Zur Rechtswahrnehmung wird ihm Rechtsanwältin R. beigeordnet.
Gründe
I. Der Antragsgegner ist der Vater des am XX.XX.2008 geborenen E. und der am XX.XX.2012 geborenen F. Der Antragsgegner lebt von der Mutter der Kinder getrennt.
Die Mutter bezog in der Vergangenheit Unterhaltsvorschussleistungen für beide Kinder. Mit Schreiben vom 10.10.2022 beantragte der Antragsteller im vereinfachten Unterhaltsverfahren die Festsetzung der Zahlungsverpflichtung des Antragsgegners aus übergegangenem Recht über laufenden und rückständigen Kindesunterhalt in Höhe des Mindestunterhalts abzüglich des vollen Kindergeldes für die Zeit ab 01.02.2022. Die Antragsschrift wurde dem Antragsgegner zusammen mit dem Einwendungsvordruck am 21.10.2022 zugestellt. Eine Stellungnahme des Antragsgegners erfolgte hierauf nicht.
Mit Beschlüssen vom 01.12.2022, beide unter dem Aktenzeichen 247 FH 223/22 VU, verpflichtete das Amtsgericht den Antragsgegner antragsgemäß zur Zahlung von Kindesunterhalt für E. und für F., wobei der Unterhalt für die Zeit ab 01.11.2022 als dynamisierter Unterhalt und für die Zeit vom 01.02.2022 bis 31.10.2022 beziffert, und zwar für E. in Höhe von 2.826 Euro und für F. in Höhe von 2.124 Euro, festgesetzt wurde.
Gegen diese dem Antragsgegner am 08.12.2022 zugestellten Beschlüsse richtet sich die am 09.01.2023 beim Amtsgericht eingegangene Beschwerde des Antragsgegners.
Er macht geltend, dass E. seit März 2022 in etwa hälftig in seinem Haushalt wohne und seit Anfang September 2022 gänzlich zu ihm gezogen sei, so dass der Antrag auf Festsetzung des Unterhalts im vereinfachten Verfahren in Bezug auf E. bereits aus diesem Grund unzulässig sei.
Darüber hinaus sei der Festsetzungsantrag auch deshalb unzulässig, weil er nicht die nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 FamFG erforderliche Angabe des gesetzlichen Vertreters des Antragsgegners und seiner Verfahrensbevollmächtigten enthielt. Für den Antragsgegner sei eine Betreuung eingerichtet u. a. für die Aufgabenkreise Vermögenssorge, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post sowie Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten. Gerichtlich bestellter Betreuer sei Herr B.B.. Dies sei dem Antragsteller bereits im Jahr 2019 angezeigt worden. Im Übrigen sei dem Antragsteller auch bekannt gewesen, dass der Antragsgegner in Unterhaltsangelegenheiten anwaltlich vertreten werde, eine vom Betreuer unterzeichnete Vollmacht sowie der Betreuerausweis sei dem Antragsteller durch die Verfahrensbevollmächtigte mit Schreiben vom 14.03.2022 übersandt worden.
Der Antragsteller behauptet, bei Stellung des Antrags hätte ihm keine Kenntnisse über eine Änderung des Lebensmittelpunkts von Elias vorgelegen. Was die unterbliebene Angabe des Betreuers sowie der Bevollmächtigten im Antrag vom 10.10.2022 anbelange, so sei es zwar zutreffend, dass die Kommunikation bis Februar 2022 über den Betreuer erfolgt sei und er sodann über die Einschaltung einer Rechtsanwältin informiert worden sei. Nach dem ersten Schreiben der Bevollmächtigten vom 14.03.2022 sei die Kommunikation jedoch im Sande verlaufen. Als im August 2022 durch eine dritte Person Unterlagen des Antragsgegners übermittelt worden seie...