Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendbare Fassung des RVG
Leitsatz (amtlich)
Für die Frage der Anwendbarkeit des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes in der Fassung vor oder nach dem 1.1.2021 kommt es nach der Übergangsregelung des § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG auf den Zeitpunkt der unbedingten Auftragserteilung an.
Normenkette
RVG § 60 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 30.12.2022; Aktenzeichen 3-08 O 19/21) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 30.12.2022 (Az. 3-08 19/21) wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 357,50 Euro festgesetzt (4.300,72 Euro (-) 3.943,22 Euro).
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Nachdem das Landgericht die Klage mit vorläufig vollstreckbarem Urteil vom 23.12.2022 unter Kostenbelastung der Klägerin abgewiesen (GA 417 ff.) und den Streitwert auf 80.100 Euro festgesetzt hat (GA 418), sind mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30.12.2022 entsprechend dem Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten vom 28.12.2022 (GA 434 f.) (mit Ausnahme der Umsatzsteuer) von der Klägerin zu erstattende (Netto-)Kosten in Höhe von 4.300,72 Euro (nebst Zinsen) festgesetzt worden (GA 438 f.). Dieser Festsetzung liegen die seit dem 01.01.2021 geltenden Gebühren des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zugrunde (nachfolgend: RVG nF).
Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 09.01.2023 (GA 445 ff.). Die Beklagte ist der Auffassung, maßgeblich sei die alte (bis zum 01.01.2021 geltende) Fassung des RVG (nachfolgend: RVG aF), da die Beklagte ihre Prozessbevollmächtigten in Bezug auf die streitgegenständliche Hauptsacheklage bereits im Februar 2018 bevollmächtigt habe (vgl. das Schreiben vom 16.02.2018, GA 447 f.).
Die Beklagte beantragt,
die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 09.01.2023 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30.12.2022 (Az. 3-08 O 19/21) kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie macht geltend, nach § 60 RVG seien mangels eines im Jahr 2018 bereits "unbedingt" erteilten "Auftrags" die Gebührensätze des RVG nF maßgeblich. In der Mitteilung der Zustellungsbevollmächtigung für die Hauptsacheklage habe mangels Klageerhebung im Jahr 2018 noch kein konkreter Verteidigungsauftrag gelegen, jedenfalls aber sei ein solcher nicht "unbedingt" erteilt worden. Bei abweichender Beurteilung stünde ihren Prozessbevollmächtigten unabhängig von einer Klageerhebung eine Verfahrensgebühr zu.
Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 27.02.2023 nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt (GA 477 f.). Zur Begründung hat der zuständige Rechtspfleger ausgeführt, vorliegend sei das RVG nF anwendbar, da der Beklagtenvertreter die Vertretung der Beklagten mit Schriftsatz vom 27.01.2021 angezeigt habe. Der Umstand, dass der Beklagtenvertreter auch außergerichtlich tätig gewesen sei, sei unerheblich; gerichtlich sei er erst nach dem 01.01.2021 tätig gewesen.
II. Die sofortige Beschwerde der Klägerin, über die gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. § 568 Satz 1 Alt. 2 ZPO durch den Einzelrichter zu entscheiden ist, ist zwar nach § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 569 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgemäß eingelegt worden, auch übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro (§ 567 Abs. 2 ZPO; die zu erstattenden Kosten beliefen sich nach dem RVG aF auf 3.943,22 Euro, wären also 357,50 Euro geringer), allerdings hat die Beschwerde in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht ist zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen davon ausgegangen, dass für die Höhe der im Kostenfestsetzungsverfahren anzusetzenden Gebühren das RVG in der seit dem 01.01.2021 geltenden Fassung maßgeblich ist.
Nach der Übergangsvorschrift in § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG ist für die Vergütung das bisherige Recht anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt worden ist.
Diese Voraussetzung für eine Anwendbarkeit des RVG aF hat das Landgericht zu Recht verneint. Es ist nicht schlüssig dargetan und auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte ihre Prozessbevollmächtigten schon vor Inkrafttreten des RVG nF am 01.01.2021 unbedingt mit der Rechtsverteidigung im Hauptsacheverfahren beauftragt hätte. Zwar hat die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 16.02.2018 die Zustellungs- und Prozessbevollmächtigung ihrer Anwälte für den Fall einer Hauptsacheklage angezeigt (GA 447 f.). Darin hat nach zutreffender Auffassung des Landgerichts und der Beklagten aber noch kein unbedingtes Mandat zur Vertretung in einem im Jahr 2018 noch nicht anhängigen Rechtsstreit gelegen. Dem Schreiben vom 16.02.2018 kann allenfalls die (implizite) Information über einen unter der aufschiebenden Bedingung (§§ 158 Abs. 1, 163 ZPO) einer Hauptsacheklage stehenden Auftrag zur Prozessvertretung im Hauptsacheverfah...