Entscheidungsstichwort (Thema)
Prüfungskompetenz des im Rechtshilfeverfahren ersuchten Gerichts
Leitsatz (amtlich)
Ein Rechtshilfeersuchen zur Anhörung des Betreuten (hier: zur Genehmigung eines Bettgitters), das nicht gesetzlich verboten oder offensichtlich rechtsmissbräuchlich ist, darf nicht abgelehnt werden. Die Überprüfung, ob die eng auszulegenden Ausnahmevoraussetzungen für eine Übertragung der Anhörung auf den ersuchten Richter gegeben sind, obliegt nicht dem ersuchten Gericht, sondern bleibt dem Rechtsmittelverfahren gegen die mit der Anhörung vorzubereitende Entscheidung vorbehalten.
Normenkette
GVG §§ 158-159; FGG §§ 2, 70, 70c
Tenor
Das AG G. ist verpflichtet, dem Rechtshilfeersuchen des AG B. vom 6.8.2003 zu entsprechen.
Gründe
Auf die nach §§ 2 FGG, 159 GVG statthafte Vorlage war die Verpflichtung des AG G. zur Leistung der nachgesuchten Rechtshilfe auszusprechen.
Nach der eng auszulegenden Vorschrift des § 158 Abs. 2 S. 1 GVG, die auch für die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt (§ 2 FGG), darf ein Rechtshilfeersuchen nur abgelehnt werden, wenn die vorzunehmende Handlung nach dem Recht des ersuchten Gerichtes verboten ist. Dies trifft auf die hier ersuchte Amtshandlung der Anhörung eines Betroffenen im Rahmen eines Betreuungsverfahrens zum Zwecke der Entscheidung über die Genehmigung einer unterbringungsähnliche Maßnahme nicht zu.
Allerdings ist nach §§ 70 Abs. 1 Nr. 2, 70c S. 1 FGG die persönliche Anhörung des Betroffenen vor Genehmigung einer unterbringungsähnlichen Maßnahme unabdingbar vorgeschrieben und grundsätzlich vom entscheidenden Richter, dessen unmittelbaren und persönlichen Eindruck die gesetzlichen Regelungen des Betreuungs- und Unterbringungsrechts besondere Bedeutung beimessen, selbst durchzuführen. Da das Gesetz jedoch in § 70c S. 4 FGG nur bestimmt, dass die persönliche Anhörung nicht im Wege der Rechtshilfe erfolgen soll, kann unter eng auszulegenden Ausnahmevoraussetzungen die persönliche Anhörung des Betroffenen nach dieser Sollvorschrift durch einen ersuchten Richter erfolgen. Deshalb kann nicht festgestellt werden, dass die vorzunehmende Handlung nach dem Recht des ersuchten Gerichtes i.S.d. § 158 Abs. 2 GVG verboten ist (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 2 Rz. 38).
Das ersuchte Gericht ist auch nicht zu der Prüfung befugt, ob die Voraussetzungen für die erbetene Handlung im Einzelfall gegeben sind. Deshalb kann eine Ablehnung nicht damit begründet werden, die persönliche Anhörung durch den ersuchenden Richter sei erforderlich, um einen unmittelbaren Eindruck von dem Betroffenen zu erlangen (vgl. BayObLG v. 10.9.1992 – 3Z BR 109/92, FamRZ 1993, 450 und v. 6.12.1999 – 3Z AR 34/99, BayObLGReport 2000, 30 = MDR 2000, 278 = FamRZ 2000, 1444; OLG Frankfurt BtPrax 1993, 138).
Der Senat teilt zwar die vom AG G. vertretene Einschätzung, wonach die persönliche Anhörung des Betroffenen durch das AG B. im Hinblick auf die Verkehrsverbindungen und die nur unwesentlich unterschiedlichen Entfernungen von G. und B. nach L. unschwer durchführbar ist und der gesetzlichen Intention der § 70c S. 4 FGG entspricht (vgl. hierzu OLG Frankfurt v. 17.2.1995 – 20 W 61/95, FGPrax 1995, 167). Dies ändert jedoch nichts an der Gesetzeslage, wonach die Entscheidung über das Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen des § 70c S. 4 FGG nicht dem ersuchten, sondern dem ersuchenden Gericht zugewiesen ist und auch vom OLG nicht im Verfahren nach § 159 GVG, sondern ggf. nur im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens gegen die mit der Anhörung vorzubereitende Genehmigung der unterbringungsähnlichen Maßnahme überprüft werden kann.
Es kann dahinstehen, ob ein Rechtshilfeersuchen zusätzlich dann abgelehnt werden kann, wenn es offensichtlich rechtsmissbräuchlich ist (vgl. hierzu OLG Schleswig, Beschl. 2 W 14/95, 2 W 29/95, DAVorm 309 [312] = Rpfleger 1995, 413 = BtPrax 1995, 145). Die Voraussetzungen, unter denen das OLG Schleswig einen derartigen Rechtsmissbrauch angenommen hatte, nämlich eine eklatant unrichtige Bejahung der Ausnahmevoraussetzungen des § 70c S. 4 FGG und eine Massierung vergleichbarer Ersuchen, mit denen die Anhörung im Wege der Rechtshilfe zur Regel in ähnlichen Fällen gemacht werden sollte, sind nämlich hier nicht gegeben. Zum einen lässt sich im vorliegenden Falle eine eklatant unrichtige Anwendung des § 70c S. 4 FGG im Hinblick auf die beabsichtigte unterbringungsähnliche Maßnahme eines Bettgitters nicht feststellen (vgl. hierzu Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 70c Rz. 7; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 70c FGG Rz. 10). Zum anderen kann unter Berücksichtigung der Gesamtzahl der bei dem AG B. geführten Betreuungen angesichts des hier vorgelegten Einzelfalles, nicht von einem offensichtlichen Rechtsmissbrauch gesprochen werden, bei dem die in § 70c S. 4 FGG nur ausnahmsweise im Wege der Rechtshilfe gestattete persönliche Anhörung des Betroffenen zur Regel gemacht werden soll.
Piorreck Rauscher Paul
VorsRiOLG RiOLG RiOLG
Fundstellen
Haufe-Index 1105435 |
FamRZ 2... |