Leitsatz (amtlich)

Der für rechtsmittelfähige Beschlüsse geltende Begründungszwang und das Unterschriftsgebot verlangen als Bestandteil einer geordneten Rechtspflege, dass die Berechnung zur Höhe des Versorgungsausgleichs tragender und nachvollziehbarer Teil der Begründung der Entscheidung sein muss. Verweise auf außerhalb des geschlossenen Textkörpers liegende und als Anlage zum Beschluss genommene Ausdrucke einer computerunterstützten Berechnung des Gerichts, die ergänzende, die Begründung der Entscheidung mit tragende Textbestandteile des Beschlusses enthalten, sind unzulässig. Führt die Anwendung der Quotierungsmethode bei der Verrechnung von Gegenrechten dazu, dass noch ein Restbetrag dem schuldrechtlichen Ausgleich verbleibt, können vom Gericht nach freiem Ermessen die dem analogen Quasisplitting unterliegenden Anrechte mit einer höheren Quote herangezogen werden, als es an sich dem Gesamtausgleichsverhältnis entspricht, um den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vollkommen zu vermeiden. Obere Grenze der Heranziehung dieses weiteren Anrechts ist, dass dem Verpflichteten mindestens die Hälfte eines jeden Anrechts verbleibt, da anderenfalls der Berechtigte eine bessere Sicherung erhielte als der Verpflichtete.

 

Normenkette

ZPO § 313 Abs. 2 S. 2, § 317 Abs. 2 S. 1, § 329 Abs. 1; VAHRG § 3b Abs. 1 Nr. 1; VAHRG § 3b Nr. 2

 

Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Beschluss vom 16.06.2005; Aktenzeichen 35 F 10008/04)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert:

Vom Versicherungskonto Nr. ... des Antragsgegners bei der LVA Hessen werden auf das Versicherungskonto Nr. ... der Antragstellerin bei der DRB Rentenanwartschaften von monatlich 308,37 EUR, bezogen auf den 31.1.2004, übertragen.

Zu Lasten der Versorgung des Antragsgegners bei der VBL (Personalnummer) werden auf dem Versicherungskonto Nr. ... der Antragstellerin bei der DRB Rentenanwartschaften von monatlich 38,31 EUR, bezogen auf den 31.1.2004, begründet.

Zusätzlich werden vom Versicherungskonto Nr. ... des Antragsgegners bei der LVA Hessen auf das Versicherungskonto Nr. ... der Antragstellerin bei der DRB Rentenanwartschaften von monatlich 48,30 EUR, bezogen auf den 31.1.2004, übertragen.

Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens werden im Verhältnis der Parteien gegeneinander aufgehoben (§ 93a ZPO). Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 21 GKG n.F.).

Beschwerdewert: 2.000 EUR (§ 49 GKG n.F.).

 

Gründe

Durch Urteil des AG - FamG - Frankfurt/M. vom 22.9.2004 wurde nach vorhergehender Abtrennung der Folgesache Versorgungsausgleich auf den am 4.2.2004 zugestellten Scheidungsantrag die am 25.9.1978 geschlossene Ehe der Parteien geschieden. Mit dem angefochtenen Beschl. v. 16.6.2005 hat das AG - FamG - Frankfurt/M. den Versorgungsausgleich durchgeführt. Wegen der Einzelheiten der Entscheidung wird auf den Inhalt des Beschlusses und den ihm als Anlage beigefügten Ausdruck einer computerunterstützten Berechnung Bezug genommen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten, am 1.7.2005 beim Beschwerdegericht eingegangenen befristeten Beschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Berechnung der BVV-Anrechte bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs. Die DRB (vormals BfA) hat sich unter dem 20.7.2005 der Beschwerde mit der Rüge des durchgeführten analogen Quasisplittings angeschlossen.

Auf die zulässige, insb. form- und fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde und Anschlussbeschwerde (§ 621e Abs. 1, Abs. 3 ZPO, § 20 FGG) war der angefochtene Beschluss abzuändern.

Die Begründetheit der Beschwerde folgt bereits daraus, dass der angefochtene Beschluss keine hinreichende Begründung zur Höhe des durchgeführten Versorgungsausgleichs enthält und damit unter einem schwerwiegenden Verfahrensmangel leidet. Nach allgemeiner Auffassung müssen Beschlüsse, die einem Rechtsmittel unterliegen, begründet sein. Im Verfahren betreffend den Versorgungsausgleich gilt dies Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Normierung sowohl in isolierten Familiensachen (§ 621a ZPO, § 53b Abs. 3 FGG) als auch im Verbundverfahren (§§ 623, 629 Abs. 1, 313 ZPO). Der Begründungszwang als Bestandteil einer geordneten Rechtspflege verlangt, dass die Berechnung zur Höhe des Versorgungsausgleichs tragender und nachvollziehbarer Teil der Begründung der Entscheidung sein muss, um zu gewährleisten, dass ein Beteiligter, in dessen Rechte eingegriffen wird oder dessen Begehren abgelehnt wird, seine Rechte sachgemäß wahrnehmen kann.

Diesem Erfordernis genügt der als Anlage dem angefochtenen Beschluss beigefügte Computerausdruck über einen durchgeführten Berechnungsvorgang nicht. Er steht außerhalb des Beschlusstextes und ist ohne weitere Erläuterung aus sich heraus für die Beteiligten weder verständlich noch nachvollziehbar. Im Übrigen enthält er überflüssige Ausführungen, beispielsweise zum Tenor. Ausdrucke computerunterstützter Berechnungen des Gerichts sind keine dem Sach- und Streitstand zuzurechnenden Unterlagen, auf die verwiesen...

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