Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensaussetzung nach § 148 ZPO im Hinblick auf anhängiges Löschungsverfahren - erforderlicher Grad der Wahrscheinlichkeit für die Löschung der Marke
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Vorgreiflichkeit des Löschungsverfahrens für den Verletzungsrechtsstreit kann nur dann vorliegen, wenn nicht der Rechtsstreit auch ohne die Entscheidung über den Bestand der Marke entscheidungsreif ist, weshalb das erstinstanzliche Gericht dies prüfen muss.
2. Eine Verfahrensaussetzung nach § 148 ZPO kommt im Hinblick auf ein anhängiges Löschungsverfahren nach der Rechtsprechung des BGH bei dessen Vorgreiflichkeit dann in Betracht, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Löschung der Marke im registerrechtlichen Verfahren besteht, die die mit der Aussetzung verbundene Prozessverzögerung rechtfertigt.
3. Bei dem hierfür erforderlichen Grad an Wahrscheinlichkeit ist zu differenzieren: Bei durch die Erteilungsbehörden geprüften Löschungsgründen sind eher hohen Erfolgsaussichten zu verlangen. Die Durchsetzbarkeit des nach Prüfung erteilten Schutzrechts wäre erheblich reduziert, könnte durch eine Löschungsklage mit nur überwiegender Wahrscheinlichkeit die Wirkung des Rechts suspendiert werden. Bei Löschungsgründen wie dem der bösgläubigen Markenanmeldung, bei dem trotz des von Amts wegen zu ermittelnden Sachverhalts die Erkenntnismöglichkeiten des Amtes beschränkt sind, sind hingegen an die Erfolgsaussichten geringere Anforderungen zu stellen.
4. Der auf § 4 Nr. 4 UWG gestützte Anspruch auf Löschung einer Marke wegen bösgläubiger Markenanmeldung ist grundsätzlich unabhängig von der Löschungsreife nach § 8 Abs. 2 Nr. 13 MarkenG. Ein Verletzungsrechtsstreit kann daher nicht im Hinblick auf ein anhängigen Löschungsverfahren ausgesetzt werden.
Normenkette
MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 13; UWG § 4 Nr. 4; ZPO §§ 148, 252
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 29.10.2020; Aktenzeichen 2-3 O 477/19) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29.10.2020 aufgehoben.
Gründe
I. Die Parteien streiten über markenrechtliche Unterlassungs- und Löschungsansprüche hinsichtlich der Marke "Ledar" für Leuchtmittel.
Die Klägerin ist Teil der "A"-Gruppe; die Beklagte betreibt als Franchisenehmerin der X1 B.V. deutschlandweit die X-Ladengeschäfte sowie den X-Online-Shop. Sie vertreibt - nach ihrem insoweit bestrittenen Vortrag bereits seit 2010 - unter der Bezeichnung "Ledare" Leuchtmittel.
Die A GmbH, die wie die Klägerin Teil der "A-Group" ist, meldete am 29.07.2015 die Deutsche Marke DE ... "Ledar" (Klagemarke 1) u.a. für Beleuchtung und Lichtreflektoren sowie Teile und Zubehör hierfür an und übertrug die erteilte Marke am 20.1.2016 auf die kurz zuvor gegründete Klägerin.
Zu diesem Zeitpunkt führte die A GmbH gegen die Beklagte einen Rechtsstreit vor dem LG Stadt1, OLG Stadt1 und BGH im Hinblick auf eine Verletzung ihrer Markenrechte an der Marke "Ledino" durch die Bezeichnung "Leding" für eine Lichtleiste durch die Beklagte. Die rechtlichen Auseinandersetzungen endeten im Jahr 2016 mit einer Verurteilung der Beklagten durch das Landgericht Stadt2 zu einer Schadensersatzzahlung in Höhe von 242.095,50 EUR.
Am 22.7.2019 erwarb die Klägerin die Gemeinschaftsmarken EU ... "Ledarc" (Klagemarke 2) sowie die IR-Marke ... "Ledar" (Klagemarke 3).
Die Klägerin nimmt die Beklagte mit der vorliegenden Klage sowie in den Niederlanden mit einer parallel gelagerten Klage die X1 B.V. auf Unterlassung, Auskunft, Rückruf und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
Am 21.1.2020 stellten die X1 B.V. und die X1 B.V. beim EUIPO einen Antrag auf Löschung der Klagemarke zu 2) sowie auf Nichtigerklärung der Schutzerstreckung der Klagemarke zu 3) auf die Europäische Union. Beide Anträge waren auf die Nichtigkeitsgründe der bösgläubigen Markenanmeldung, der fehlenden Unterscheidungskraft sowie der schlicht beschreibenden Beschaffenheitsangabe sowie der gebräuchlich gewordenen Bezeichnung nach Art. 7 Abs. 1 UMV gestützt. Am 27.3.2020 stellte die X1 B.V. beim DPMA einen Löschungsantrag gegen die Klagemarke zu 1) wegen derselben Schutzhindernisse.
Die Klägerin begehrt - gestützt primär auf die Klagemarke zu 1) und hilfsweise auf die Klagemarken zu 2) und 3) - Unterlassung, Auskunft, Schadensersatzfeststellung und Rückruf. Die Beklagte begehrt widerklagend die Zustimmung zur Löschung der Klagemarke 1) und hilfsweise die Löschung der Klagemarken 2) und 3) sowie die Feststellung der Schadensersatzpflicht im Hinblick auf eine behauptete böswillige Klageanmeldung sowie fehlender Unterscheidungskraft der Marken.
Das Landgericht hat durch Beschluss vom 29.10.2020 den Rechtsstreit nach § 148 ZPO bis zur Entscheidung des DPMA über das gegen die Klagemarke zu 1) anhängige Löschungsverfahren ausgesetzt.
Der hiergegen eingelegten Beschwerde der Klägerin hat das Landgericht nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zu Entscheidung vorgelegt.
II. Die gemäß § 252 ZPO zulässig...