Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe bei Unerreichbarkeit infolge Umzugs
Leitsatz (amtlich)
Zieht der Begünstigte nach Gewährung der Verfahrenskostenhilfe mehrfach um, ohne die melderechtlich gebotenen Ummeldungen vorzunehmen, und ist infolgedessen auch nicht für seinen beigeordneten Rechtsanwalt erreichbar, dann rechtfertigt das die Aufhebung der bewilligten Verfahrenskostenhilfe nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Ein solches Verhalten stellt eine grobe Nachlässigkeit im Sinne dieser Vorschrift dar.
Normenkette
ZPO § 120 Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 1 Nr. 4
Verfahrensgang
AG Eschwege (Beschluss vom 13.01.2020; Aktenzeichen 5 F 433/17 EAGS) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Eschwege vom 13.01.2020 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I. Dem Antragsgegner wurde mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Eschwege vom 08.11.2017 in dem Verfahren 5 F 433/17 EAGS am 08.11.2017 ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für den ersten Rechtszug unter Beiordnung von Rechtsanwalt A, Stadt1, bewilligt. Das Verfahren wurde mit Abschluss eines Vergleichs am 23.10.2017 beendet.
Mit gerichtlichem Anschreiben vom 07.11.2019 wurde der Antragsgegner unter Androhung einer Aufhebung der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe gemäß §§ 76 Abs. 1 FamFG, 124 Abs. 1, Ziffer 2 ZPO aufgefordert, eine neue Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen zur Akte zu reichen, damit eine eventuelle Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse überprüft werden könne. Diese Aufforderung wurde seinem beigeordneten Verfahrensbevollmächtigten zugestellt am 13.11.2019. Eine Reaktion erfolgte nicht.
Daraufhin hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 13.01.2020 die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe mit der Begründung aufgehoben, der Antragsgegner sei seiner Auskunftsverpflichtung im Verfahrenskostenhilfeüberprüfungsverfahren nicht nachgekommen.
Der Beschluss wurde dem Verfahrensbevollmächtigten am 17.01.2020 zugestellt. Die am 20.01.2020 erhobene sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss ist am selben Tag bei dem Amtsgericht eingegangen. Eine Begründung dieser sofortigen Beschwerde erfolgte nicht. Der Verfahrensbevollmächtigte teilte lediglich am 21.04.2020 mit, dass das Mandatsverhältnis beendet sei. Das Amtsgericht schrieb daraufhin den Antragsgegner unter der letzten bekannten Anschrift (Straße1 in Stadt2) an. Der Brief wurde mit dem Vermerk "Empfänger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln" durch die Post zurückgesandt. Eine Abfrage der Meldedaten des Antragsgegners vom 06.05.2020 in der elektronischen Einwohnermeldeamtsanfrage ergab, dass der Antragsgegner am 18.11.2020 aus einer Wohnung in der Straße2a in Stadt1 in die oben genannte Wohnung in Stadt2 gezogen ist. Dort zog er am 24.04.2020 aus und wurde am 05.05.2020 von Amts wegen abgemeldet. Eine neue Meldeanschrift war nicht hinterlegt. Eine erneute Anfrage vom 12.06.2020 ergab keine neuen Erkenntnisse.
Nachdem das Amtsgericht durch eine Anfrage beim Jobcenter X eine Adresse mitgeteilt hatte, unter der der Antragsgegner zu erreichen war, forderte es ihn unmittelbar auf, die sofortige Beschwerde zu begründen oder die angeforderten Unterlagen einzureichen. Auch hierauf erfolgte keine Reaktion.
Am 21.07.2020 hat das Amtsgericht dann durch Beschluss der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main - Familiensenate in Kassel - zur Entscheidung vorgelegt. Als weiteren Aufhebungsgrund hat es dabei den Umstand genannt, dass der Antragsgegner seinen Umzug nicht mitgeteilt habe.
Der Senat hat dem Antragsgegner zunächst den Nichtabhilfebeschluss durch Übersendung an seinen beigeordneten Verfahrensbevollmächtigten bekannt gegeben. Zeitgleich wurde ihm eine Frist zur Begründung der sofortigen Beschwerde eingeräumt. Diese Frist wurde auf Antrag des Antragsgegners einmal verlängert. Innerhalb dieser nachgelassenen Frist hat der Antragsgegner dann eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Daraus ergibt sich, dass er seit dem 01.09.2020 eine neue Wohnung angemietet hat und seit dem 07.07.2020 Arbeitslosengeld I in Höhe von kalendertäglich 23,62 Euro netto erhält.
II. Die gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 ff. ZPO in Verbindung mit § 76 Abs. 1 und 2 FamFG zulässige, insbesondere binnen der Beschwerdefrist des § 127 Abs. 3 Satz 3 ZPO eingelegte sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet.
Gemäß §§ 76 Abs. 1 FamFG, 124 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 120a Abs. 1 Satz 3 ZPO trifft den durch die Verfahrenskostenhilfebewilligung begünstigten Beteiligten die Pflicht, sich auf Aufforderung des Gerichtes zu seinen aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnissen zu erklären.
Die entsprechende Verfügung, mit der der Antragsgegner unter Fristsetzung zur Vorlage einer entsprechenden Erklärung aufgefordert wurde, ist durch das Amtsgerich...