Leitsatz (amtlich)

1. Die Anforderungen an die Darlegungslast der Minderheitsaktionäre im Squeeze-out-Verfahren hängen auch von der Qualität des Berichts der Hauptaktionärin und des sachverständigen Prüfers ab.

2. Allein der Umstand, dass die Hauptaktionärin die Barabfindung ggü. dem von ihr festgestellten Wert der Aktie aufstockt, enthebt das Gericht im Spruchverfahren nicht weiterer Nachprüfung.

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 30.06.2004; Aktenzeichen 3/8 O 268/02)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu befinden haben wird.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 200.000 EUR festgesetzt; der Wert für die Berechnung der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller ist davon unberührt.

 

Gründe

Im Streit steht die Angemessenheit der Barabfindung nach dem Ausschluss der Minderheitsaktionäre.

Die Hauptversammlung der A AG beschloss am 27.8.2002 die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Hauptaktionärin und jetzige Antragsgegnerin gegen eine Barabfindung von 20 EUR pro Aktie. Die Hauptaktionärin hielt damals 1.202.680 Aktien, das entsprach 99,93 % des Aktienkapitals. Auf die Minderheitsaktionäre entfielen 820 Aktien. Die Hauptaktionärin hatte in ihrem Bericht vom 17.7.2002 den Unternehmenswert mit 17.488 TEUR angegeben und den Wert je Aktie mit 14,54 EUR. An diese Wertangabe anschließend endete der Bericht der Hauptaktionärin mit der Bemerkung, dass sie sich entschlossen habe als Barabfindung aufgrund der langen Treue der Minderheitsaktionäre zum Unternehmen einen Betrag von 20 EUR je Aktie zu zahlen. Die aufgrund des Antrags der Hauptaktionärin mit Beschluss des LG vom 19.6.2002 zum sachverständigen Prüfer der Angemessenheit der Barabfindung gem. § 327c Abs. 2 Satz 3 AktG ausgewählte und bestellte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat in ihrem Bericht vom 18.7.2002 den rechnerischen Wert von 14,54 EUR je Aktie als zutreffende Folge der Unternehmensbewertung bestätigt und die durch freiwillige Erhöhung auf 20 EUR je Aktie festgesetzte Barabfindung als angemessen bezeichnet.

Die dagegen gerichteten Anträge auf Bestimmung der angemessenen Barabfindung hat das LG durch Beschluss vom 30.6.2004 zurückgewiesen (Bl. 132 ff. d.A.). Das LG hat dabei ausgeführt, die Antragsteller hätten zwar zutreffend dargetan, dass das prognostizierte ausschüttbare Ergebnis aus den letzten drei zu-rückliegenden Jahre schlicht errechnet worden sei, ohne die Prognose näher zu begründen. Insbesondere fehle es an einer plausiblen Begründung der errechneten Annahmen. Dieses Manko in der Begründung sei jedoch für die Höhe der angebotenen Barabfindung unschädlich. Die rechnerische Ermittlung des Ertragswerts sei in zwei Phasen erfolgt. Der Kapitalisierungszinssatz sei nicht zu beanstanden. Das operative Ergebnis sei zwar nicht im Einzelnen begründet worden. Es hätte hier noch einer Darstellung der Unternehmensanalyse und einer Einzelanalyse sowie der Herausstellung der zukunftsbezogenen Plandaten bedurft. Da die Antragsgegnerin aber eine Erhöhung um ca. 35,55 % vorgenommen habe, sei die pauschale Darstellung der ausschüttbaren Ergebnisse nicht zu beanstanden, zumal es auch nur um 820 Aktien gehe. Dies rechtfertige es, den pauschal errechneten Ertragswert des betriebsnotwendigen Vermögens als ausreichende Schätzgrundlage nach § 287 II ZPO zugrunde zu legen. So lange keine Anhaltspunkte dargetan seien, dass die aufgezeigten Bewertungsmängel zu einer Erhöhung des Unternehmenswerts auf 24.050.000 EUR führen könnten, bedürfe es auch keiner Beweisaufnahme darüber, ob eventuell eine detailliertere Begründung der Zukunftsprognosen zu einer Erhöhung des Ertragswerts des betriebsnotwendigen Vermögens führe.

Gegen den ihm am 12.7.2004 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsteller zu 4) mit seiner am 20.7.2004 eingegangenen sofortigen Beschwerde. Er rügt, dass die erstinstanzliche Entscheidung nicht habe ohne mündliche Verhandlung ergehen dürfen. Insoweit liege auch eine Überraschungsentscheidung vor. Abgesehen davon setze sich der angefochtene Beschluss auch nicht mit seinen Rügen auseinander, was einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs darstelle. Es sei ein Akt greifbarer Willkür, wenn der angegriffene Beschluss auf das Volumen des Verfahrens abstelle. Selbst wenn es nur um drei Aktien ginge, reiche § 287 Abs. 2 ZPO nicht die Hand dafür, dass sich der Hauptaktionär die Aktien z.B. zur Hälfte des wirklichen Wertes zueigne. Der angegriffene Beschluss nehme es billigend zu Lasten der Minderheitsaktionäre in Kauf, dass die von der Hauptaktionärin festgesetzte Abfindung unangemessen sei. Die Antragsteller zu 2) und 3) haben gleichfalls sofortige Beschwerde eingelegt, diese jedoch nicht näher begründet.

Die Antragsgegnerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Der Senat hat den Beteiligten mitgeteilt, dass er erwäge, den angefochtenen Besc...

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