Verfahrensgang
LG Kassel (Entscheidung vom 01.12.2015; Aktenzeichen 6 Ks - 2820 Js 37127/14) |
Tenor
Auf die einfache Beschwerde des Angeklagten wird die Verfügung des Vorsitzenden des Landgerichts Kassel - 6. Strafkammer - vom 01. Dezember 2015 aufgehoben, soweit darin die erteilten Telefonerlaubnisse den Beschränkungen unterliegen, die Telefongespräche in deutscher Sprache zu führen und vom Vollzugspersonal insoweit zu überwachen sind, dass die betreffenden Personen die jeweiligen Gesprächspartner sind und Telefongespräche nicht mit anderen Personen geführt werden.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen entsprechend § 467 Abs. 1 StPO der Staatskasse zur Last.
Gründe
Die zulässige einfache Beschwerde des Angeklagten gegen die aus dem Tenor ersichtlichen Beschränkungen bezüglich der erteilten Telefonerlaubnisse ist begründet.
Beschränkungen der Untersuchungshaft können seit der Neufassung des § 119 StPO zum 01.01.2010 einem inhaftierten Beschuldigten vom Gericht (nur noch) auferlegt werden, soweit dies zur Abwehr einer Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr erforderlich ist (§ 119 Abs. 1 S. 1 StPO). Die Neufassung der Vorschrift sieht im Gegensatz zur der bis dahin angewendeten Untersuchungshaftvollzugsordnung keine standardmäßigen Beschränkungen der Rechte des Untersuchungsgefangenen vor, sondern verlangt, dass Eingriffe in seine Grundrechte in jedem Einzelfall gesondert getroffen und begründet werden (Senat, Beschlüsse vom 14. Januar 2016 - 3 Ws 1100/15, vom 13.02.2014 - 3 Ws 119/14, vom 05.05.2010 - 3 Ws 348/11 und vom 26.09.2011 - 3 Ws 911/11). Die Beschränkung muss zur Abwehr einer realen Gefahr (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 119 Rn. 6) erforderlich sein; die bloße Möglichkeit eines Missbrauchs rechtfertigt Freiheitsbeschränkungen noch nicht. Bei Telefongesprächen mit Familienangehörigen ist ein großzügiger Maßstab angebracht (Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, Rn. 13). Nach diesen Maßstäben ist eine Maßnahme zur Vermeidung einer Verdunkelungsgefahr aber ggf. auch dann zulässig, wenn der Haftbefehl nur auf Fluchtgefahr gestützt ist (Meyer-Goßner, aaO, Rn.5).
Anhaltspunkte für eine solche reale Gefahr des Missbrauchs ergeben sich weder aus der angefochtenen Entscheidung und der Nichtabhilfeentscheidung, noch aus dem erstinstanzlichen Urteil vom 22. Oktober 2015, noch aus den Haftbefehlen des Amtsgerichts ... vom 14.10.2014 und 09.12.2014. Vielmehr ergibt sich - wie die Verteidigung zutreffend ausführt - aus dem erstinstanzlichen Urteil, dass der Angeklagte von seinem Schweigerecht umfassend Gebrauch gemacht und gerade keine von den Feststellungen abweichende Einlassung abgegeben hat, die eine Verdunklung vor Rechtskraft besorgen lassen würde. Nachdem der Angeklagte auch über die Erlaubnis der unüberwachten Besuche durch Angehörige keine bekannt gewordenen Verdunklungshandlungen begangen hat waren mangels konkreter Gefahr für die Zwecke der Untersuchungshaft die angeordneten Beschränkungen aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 9653839 |
StV 2016, 443 |