Leitsatz (amtlich)
1.
Beanstandet der Untersuchungsgefangene, er habe keine oder keine ausreichende ärztliche, insbesondere medikamentöse Versorgung erhalten, so ist der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet.
2.
Im Falle der mündlichen Ablehnung der begehrten Maßnahme - hier Verweigerung eines bestimmten Medikaments - ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung in entsprechender Anwendung des § 27 EGGVG innerhalb einer Frist von einem Jahr nach (jeder) Ablehnung zu stellen. Nach Ablauf dieser Frist tritt jedenfalls Verwirkung ein.
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Aktenzeichen 14 Js 27/00 - 11 Ks) |
Gründe
I.
Der Antragsteller ist durch Urteil des Landgerichts Darmstadt - Schwurgerichtskammer - vom 02.08.2002, rechtskräftig seit dem 17.04.2003, wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Er befand sich in dieser Strafsache seit dem 05.10.2000 in Untersuchungshaft, welche bis zum 04.04.2002 in der Justizvollzugsanstalt X und ab dem 05.04.2002 bis zum 16.04.2002 in der Justizvollzugsanstalt Y vollzogen wurde, wo nach dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils zunächst auch die Vollstreckung der Strafe erfolgte. Am 28.07.2004 wurde der Verurteilte sodann in die Justizvollzugsanstalt X verlegt, in der er seitdem in Strafhaft sitzt.
Mit seinem an das Landgericht Darmstadt gerichteten, als Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 126 StPO bezeichneten Begehren beantragt er:
a)
die Feststellung, daß er in der Justizvollzugsanstalt X aufgrund rechtswidriger, ohne Einwilligung erfolgter Unterbringung in einer Mehrpersonenzelle zusammen mit einem Hepatitis C - positiven Mitgefangenen mit dieser Krankheit infiziert worden sei,
b)
die Feststellung, daß er über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren nicht sachgerecht therapiert worden sei,
c)
die Feststellung, daß die Krankenabteilung der Justizvollzugsanstalt X die Aufklärung des Sachverhalts anhand einer Akteneinsicht bzw. einer Mitteilung der Untersuchungsergebnisse aus der Krankenakte unnötig lange verzögert und erschwert habe,
d)
vollständige Akteneinsicht.
II.
1.
Der Antrag zu a) ist dahin zu verstehen, daß der Antragsteller in erster Linie die Unzulässigkeit der während der Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt X zeitweise erfolgten Unterbringung mit einem anderen Gefangenen in demselben Haftraum (§ 119 Abs. 1 und 2 StPO) beanstandet, auf die er die bei ihm ausweislich des als Anlage 8 der Antragsschrift vorgelegten Befundberichts im April 2002 festgestellte Infektion mit Hepatitis C zurückführt.
Für die Entscheidung über diesen Antrag ist nicht das Oberlandesgericht, sondern der Haftrichter zuständig. Der Rechtsweg nach den §§ 23 ff. EGGVG ist nur eröffnet, soweit die ordentlichen Gerichte nicht bereits aufgrund anderer Vorschriften angerufen werden können (§ 23 Abs. 3 EGGVG). Das gilt auch, wenn der Betroffene davon, z. B. wegen Fristversäumung, Erledigung der angefochtenen Maßnahme oder weil die anderweitige Regelung bewußt nicht alle Fälle erfaßt, im konkreten Fall nicht (mehr) Gebrauch machen kann (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Auflage, § 23 EGGVG, Rdnr. 12; Senat, NJW 1998, 1165 und NStZ-RR 2004, 184; OLG Jena, ZfStrVO 2003, 306 [307]; OLG München, Beschluß vom 11.06.2003 - 3 VAs 8/03 -).
Maßnahmen im Rahmen des Vollzugs der Untersuchungshaft können danach nur dann Gegenstand eines zulässigen Antrags nach den §§ 23 ff. EGGVG sein, wenn sie - was in der Regel nicht der Fall ist (vgl. Boujong in Karlsruher Kommentar, StPO, § 119 Rdnr. 103; Hilger, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 119, Rdnr. 160; Senat, NStZ-RR 1996, 365 und NStZ-RR 2004, 184) - der Entscheidungszuständigkeit des Haftrichters nach § 119 Abs. 6 StPO entzogen sind (vgl. Senat, NStZ-RR 2004, 184; Boujong, a.a.O., Rdnr. 98 m.w.N.; OLG Jena, a.a.O., S. 307). Dies trifft auf Anordnungen, Verfügungen und Realakte zu, die sich nicht gegen einen bestimmten Untersuchungsgefangenen richten, sondern lediglich die allgemeine Vollzugsorganisation betreffen, die der Richter, weil die Maßnahme den Vollzug schlechthin gewährleisten bzw. allgemein der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung dienen soll, nicht abstellen darf (vgl. Senat, NStZ-RR 2004, 184; Hilger, a.a.O., Rdnr. 161). Zu den Notwendigkeiten des Vollzugs, in die der Haftrichter nicht eingreifen darf, gehören etwa die bauliche Gestaltung einer Haftanstalt und ihrer einzelnen Teile wie der Unterkunftszellen (Boujong, a.a.O., Rdnr. 103). Der Haftrichter hat dagegen zu befinden, wenn eine Regelung betroffen ist, die nur das Verhältnis zu einem bestimmten Gefangenen ordnet (vgl. BGH, NJW 1988, 351; Senat, NStZ-RR 2004, 184, 185; Boujong, a.a.O., Rdnr. 6 und 7).
Er kann somit insbesondere auch bei Verstößen gegen die Trennungsvorschriften des § 119 Abs. 1 und 2 StPO angerufen werden (vgl. Senat, NStZ-RR 2004, 184, 185; Hilger, a.a.O., Rdnr. 162; OLG Jena, a.a.O., S. 307). Nach der darin getroffenen Regelung darf ein Untersuchungsgefangener nicht mit anderen Gefangenen in einem Raum untergebracht w...