Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Anwendung von § 117 Abs. 1 S. 1 - 3 FamFG im vereinfachten Unterhaltsverfahren
Normenkette
FamFG § 117 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Darmstadt (Beschluss vom 29.07.2024; Aktenzeichen 50 F 356/24 VU) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.719,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren zugunsten des Antragstellers.
Der Antragsteller hat mit Antrag vom 28. Februar 2024 ergänzt durch Schreiben vom 7. März 2024 die Festsetzung von Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts im vereinfachten Verfahren für den Zeitraum ab 1. Oktober 2023 beantragt. Im Einzelnen wird auf Antrag und Schreiben nebst Anlagen verwiesen.
Der Antrag wurde dem Antragsgegner nebst Hinweisen nach § 251 Abs. 1 Satz 2 FamFG am 19. März 2024 zugestellt. Eine Reaktion des Antragsgegners ist nicht zu den Akten gelangt.
Mit Beschluss vom 29. Juli 2024 setzte das Amtsgericht gegen den Antragsgegner zugunsten des Antragstellers antragsgemäß rückständigen Unterhalt für die Zeit von Oktober 2023 bis Februar 2024 in Höhe von 1.479,00 Euro und laufenden Unterhalt ab 01.03.2024 in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts abzüglich des hälftigen Kindergelds, also monatlich 520,00 Euro, fest. Der Beschluss wurde dem Antragsgegner am 31. Juli 2024 zugestellt.
Mit am 29. August 2024 beim Amtsgericht eingegangener Beschwerde wendet sich der Antragsgegner gegen die erfolgte Unterhaltsfestsetzung. Die Beschwerde wurde bei Einlegung nicht begründet. Mit Schreiben des Vorsitzenden vom 18. September 2024 wurde der Antragsgegner vorsorglich auf § 256 FamFG hingewiesen. Weitere Schriftsätze sind nicht eingegangen.
II. Die Beschwerde ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig, insbesondere gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und gemäß § 63 Abs. 1 FamFG fristgerecht erhoben.
Die Beschwerde ist auch trotz fehlenden Sachantrags und fehlender Begründung zulässig. Ob § 117 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 FamFG im vereinfachten Unterhaltsverfahren anzuwenden ist, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung und Literatur streitig. Die eine Anwendung befürwortende herrschende Auffassung (vgl. 1. Senat für Familiensachen des OLG Brandenburg, Beschluss vom 12. April 2024 - 9 WF 70/24 -, Rn. 7, juris und Beschluss vom 13. Dezember 2023 - 9 WF 70/23 -, Rn. 15, juris; ebenso noch 4. Senat für Familiensachen des OLG Brandenburg, Beschluss vom 24. Mai 2016 - 13 WF 76/16 -, Rn. 12, juris; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 29. Oktober 2020 - 6 WF 140/20 -, Rn. 3 ff, juris; OLG Bamberg, Beschluss vom 23. Mai 2017 - 2 WF 145/17 -, Rn. 16, juris; Johannsen/Henrich/Maier, Familienrecht 6. Aufl. § 256 Rn. 5; Sternal/Giers FamFG 21. Aufl. 2023 § 256 Rn. 11; Zöller/Feskorn ZPO 34. Aufl. § 256 Rn. 3; Prütting/Helms/Bömelburg FamFG 5. Aufl. § 256 Rn. 10; Frank FamRB 2020, 177; Fritzsche NZFam 2024, 944) verweist darauf, dass es sich bei dem vereinfachten Unterhaltsverfahren als Unterhaltssache (§ 231 Abs. 1 Nr. 1 FamFG) gemäß § 112 Nr. 1 FamFG um eine Familienstreitsache (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2022 - XII ZB 450/21 -, Rn. 6, juris) handelt. Gesetzeswortlaut und Regelungssystematik führen nach dieser Auffassung nicht zu einer einschränkenden Auslegung des § 117 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 FamFG (vgl. 1. Senat für Familiensachen des OLG Brandenburg, Beschluss vom 12. April 2024 - 9 WF 70/24 -, Rn. 7). Besondere Regelungen für die Beschwerde bestünden nur in den §§ 256, 257 und 259 FamFG, deswegen sei für die Anforderungen an die Beschwerde die allgemeine Regelung in § 117 FamFG anzuwenden; gegen die Anwendung des § 117 FamFG spreche auch nicht die erstinstanzliche Zuständigkeit des Rechtspflegers (vgl. 4. Senat für Familiensachen des OLG Brandenburg, Beschluss vom 24. Mai 2016 - 13 WF 76/16 -, Rn. 13, juris). Auch bei historischer Auslegung lasse sich kein Wille des Gesetzgebers erkennen, das vereinfachte Verfahren aus dem Begründungszwang auszunehmen. Dass der Gesetzgeber unzutreffender Weise davon ausgegangen sei, für das Rechtsmittel gegen die Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren habe sich mit Einführung des FamFG nichts geändert, obwohl anstelle der sofortigen Beschwerde nun die Beschwerde nach § 58 FamFG statthaft ist, führe nicht zum Ausschluss der Anwendung des § 117 FamFG; sollte der Gesetzgeber beabsichtigt haben, das bisherige Rechtsmittel beizubehalten, habe dies im Wortlaut der Vorschriften keinen Anklang gefunden und sei auch nicht durch Auslegung erreichbar (vgl. 4. Senat für Familiensachen des OLG Brandenburg, Beschluss vom 24. Mai 2016 - 13 WF 76/16 -, Rn. 18). Der Zweck des vereinfachten Unterhaltsverfahrens, es möglich zu machen, schnell einen Titel zu errichten, stehe der Anwendung des § 117 Abs. 1 FamFG ebenfalls nicht entgegen, weil § 116 Abs. 3 Satz 2 FamFG für den Regelfall vorsehe, dass die sofortige Wirksamkeit der erstinstanzlichen Entscheidung angeordnet...