Verfahrensgang
LG Kassel (Beschluss vom 23.12.1997; Aktenzeichen 7 O 2726/97) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Landgerichts Kassel vom 23. Dezember 1997 abgeändert.
Dem Antragsgegner wird aufgegeben, die Aufstellung der Windkraftanlage mit einer Leistung von 500 Kilowatt auf dem Grundstück der Gemeinde … Gemarkung Flurstück 237/6 (WKA Nr. 2) zu unterlassen.
Für den Fall der Zuwiderhandlung wird ihm ein Ordnungsgeld von bis zu 500.000,– DM sowie für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 2 Jahren angedroht.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf 28.000,– DM festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung … Flur 1 Flurstück 240/7. Dieses Grundstück ist umgeben von dem Antragsgegner gehörenden Grundstücken, und zwar den Flurstücken 238/6 und 237/6 in westlicher Richtung, 246/7 in südöstlicher Richtung und 240/7 in östlicher Richtung. Die Grundstücke sind im Flächennutzungsplan als Windkonzentrationsfläche ausgewiesen. Sowohl der Antragsteller als auch der Antragsgegner beabsichtigen auf ihren jeweiligen Grundstücken Windkraftanlagen zu errichten, und zwar der Antragsteller auf seinem Grundstück eine Windkraftanlage von 1,5 MW mit einer Höhe von 68 m und einem Rotordurchmesser von 65 m, der Antragsgegner insgesamt 6 Windkraftanlagen von je 500 kw mit einem Rotordurchmesser von 40 m und einer Höhe von 65 m. Die auf der Parzelle 237/6 geplante WKA Nr. 2 befindet sich etwa 120 m von der von dem Antragsteller geplanten WKA entfernt. Dem Antragsgegner ist die Baugenehmigung am 20.06.1997 erteilt worden, dem Antragsteller am 24.10.1997. Der Antragsgegner hat mit dem Bau begonnen. Über den Widerspruch des Antragstellers gegen die dem Antragsgegner erteilte Baugenehmigung ist noch nicht entschieden; mit Beschluß vom 06.11.1997 hat das Verwaltungsgericht Kassel den Antrag des Antragstellers auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Baugenehmigung des Antragsgegners abgelehnt.
Der Antragsteller hat beantragt, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen, die auf der Parzelle 237/6 begonnene Windkraftanlage Nr. 2 aufzustellen.
Er hat unter Vorlage eines Gutachtens des Ingenieurbüros für erneuerbare Energien … vom 25.11.1997 sowie einer Stellungnahme dieses Ingenieurbüros vom 12.12.1997 geltend gemacht, wenn die vom Antragsgegner auf dem Grundstück 237/6 geplante WKA 2 errichtet werde, sei die auf seinem Grundstück 239/7 geplante WKA nicht wirtschaftlich zu betreiben. Durch den Abschattungseffekt werde von seinem Grundstück Windenergie weggenommen. Außerdem beeinträchtigten sich benachbarte Windkraftanlagen gegenseitig dadurch, daß die Nachlauf Strömung (Windströmung im Lee des Rotors) erheblich turbulenter sei als bei normalen Anströmverhältnissen. Dadurch werde die Lebensdauer der Anlage erheblich reduziert; bei Nichteinhaltung der Abstände, die mindestens den vierfachen Rotordurchmesser betragen müßten, gäben auch die Hersteller keine Gewährleistung und Versicherungen keinen Versicherungsschutz für Betriebsausfall und Maschinenbruch.
Das Landgericht hat mit Beschluß vom 23.12.1997 den Antrag zurückgewiesen. Auf die Gründe dieses Beschlusses wird Bezug genommen.
Mit seiner Beschwerde macht der Antragsteller geltend, es dürfe hier nicht nach positiven und negativen Einwirkungen unterschieden werden, sondern es müsse nach wesentlichen und unwesentlichen Einflüssen auf ein Grundstück differenziert werden, unter Berücksichtigung der heutigen technischen Gegebenheiten und wirtschaftlichen Bedürfnisse. Durch das Aufstellen der Windkraftanlage auf dem Flurstück 237/6 werde dem Grundstück des Antragstellers die Nutzungsmöglichkeit der Windkraft entzogen. Aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis seien Abwehransprüche auch gegenüber negativen Immissionen herzuleiten, wenn es um existenzielle Belange gehe. Außerdem seien auch drittschützende Normen des öffentlichen Rechts verletzt, weil die von den Rotorblättern der Windkraftanlage hervorgerufenen Turbulenzen den in § 3 Abs. 2 Bundesimmissionsschutzgesetz genannten Erschütterungen vergleichbar seien.
Die Beschwerde ist zulässig; sie hat auch in der Sache Erfolg.
Ein Verfügungsanspruch des Antragstellers auf vorläufige Unterlassung der Errichtung der vom Antragsgegner geplanten Windkraftanlage 2 ist aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis (§ 242) gegeben, die Regelung im Wege der einstweiligen Verfügung zur Wahrung des Rechtsfriedens geboten (§ 940 ZPO).
Zwar ergeben sich, wie auch das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn in erster Linie aus den Bestimmungen des Nachbarrechts und haben dort eine ins einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Es ist dem Landgericht auch darin zu folgen, daß die bloße Abhaltung von Wind („Abschattungseffekt”) als rein negative Einwirkung der Anlage auf dem Grundstück des Antragsgegner für ...