Normenkette

ZPO § 319

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Beschluss vom 29.01.2003; Aktenzeichen 4 O 279/02)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Berichtigungsbeschluss des Einzelrichters der 4. Zivilkammer vom 29.1.2003 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert wird festgesetzt auf 3.443 Euro.

 

Gründe

Die Beklagte erwarb aufgrund des notariell beurkundeten Übergabevertrages vom 24.1.2001 von ihrem Ehemann das im Grundbuch von S. eingetragene Grundstück Flur 1, Flurstück 23/5, beschrieben als „Gebäude- und Freifläche, O. 50, Landwirtschaftsfläche” zu Eigentum.

Entsprechend dem Klageantrag der Klägerin ist die Beklagte mit am 1.10.2002 verkündetem Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LG Darmstadt verurteilt worden, die Zwangsvollstreckung in das Grundstück F. Gebäude- und Freifläche O. 50, Flurstück 23/5 der Gemarkung S. zu dulden. Auf Antrag der Klägerin vom 12.12.2002 hat der Einzelrichter der 4. Zivilkammer mit Beschluss vom 29.1.2003, auf dessen Inhalt verwiesen wird, gem. § 319 ZPO den Tenor des vorbezeichneten Urteils dahin gehend berichtigt, dass der Passus „Gebäude- und Freifläche, O. 50” gestrichen wird.

Gegen diesen ihr am 4.2.2003 zugestellten Beschluss hat die Beklagte mit bei Gericht am 18.2.2003 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und rügt, die Voraussetzungen einer Berichtigung gem. § 319 ZPO lägen nicht vor, da kein Fall der Unstimmigkeit zwischen Willen und Erklärung des Gerichtes gegeben sei. Die Urteilsberichtigung verstoße, so meint die Beklagte, gegen das die ZPO beherrschende Antragsprinzip.

Das LG hat mit Beschluss vom 19.2.2003 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Prozessakten sind dem OLG am 28.2.2003 vorgelegt worden.

Der Einzelheiten i.Ü. wegen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Die gem. § 319 Abs. 3 a.E. ZPO statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde ist sachlich unbegründet, weshalb sie zurückzuweisen war.

§ 319 ZPO ermöglicht, wie die beschwerdeführende Beklagte zutreffend auch ausführt, die Berichtigung einer Erklärung, wenn das Gewollte in ihr nicht zutreffend zum Ausdruck gebracht wird; der Fehler muss also bei der Verlautbarung des Willens, nicht bei dessen Bildung unterlaufen sein (vgl. unter vielen anderen Musielack in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl. 2000, § 319 Rz. 4; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 319 Rz. 4). Unerheblich ist indessen, was die Beklagte in ihrer Argumentation nicht ausreichend berücksichtigt, ob die Unrichtigkeit auf einem Versehen des Gerichtes beruht oder auf einen Fehler einer Prozesspartei zurückzuführen ist. Die früher zum Teil vertretene Auffassung, die eine Anwendung des § 319 ZPO verneint hat (s. Nachweise bei Musilack in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl. 2000, § 319 Rz. 15), wenn das Gericht durch falsche Angaben der Parteien zur Unrichtigkeit veranlasst worden ist, kann heute als überwunden gelten.

Die Klägerin hat zur Begründung ihres Klagebegehrens selbst auf den Übergabevertrag Bezug genommen und ihn teilweise in Kopie als Anlage zur Klageschrift zu den Gerichtsakten gereicht. Dort wird das Grundstück, in welches vollstreckt werden soll, zutreffend, wie im Grundbuch verlautbart, beschrieben, d.h. als „Gebäude- und Freifläche, O. 50, Landwirtschaftsfläche”. Die Beschreibung der Wirtschaftsart des Grundstückes (Spalte 3e des Bestandsverzeichnisses des Grundbuches) ist mithin im Klageantrag nur verkürzt wiedergegeben worden. Der Fehler ist i.S.d. Gesetzesbestimmung auch ein offenbarer, weil er sich unmittelbar aus der Informationsquelle Grundbuch ergibt und mithin jederzeit nachvollziehbar ist.

Auch das Schutzinteresse der Beklagten wird durch eine Berichtigung nicht tangiert, weil im Erkenntnisverfahren zwischen den Verfahrensbeteiligten niemals Zweifel über die Nämlichkeit des Grundstückes, in welches die Klägerin vollstrecken will, bestanden.

Die gesetzliche Regelung in § 319 ZPO ist, wie das BVerfG in seinem Kammerbeschluss vom 15.1.1992 (BVerfG v. 15.1.1992 – 1 BvR 1140/86, NJW 1992, 1496) festgestellt hat, auch Ausdruck des das Prozessrecht durchziehenden Prinzips der Rücksichtnahme auf die Rechtsuchenden und ihrer fairen Behandlung, weshalb sich nach Auffassung des Gerichtes eine zumindest stark restriktive Handhabung der Vorschrift verbietet. Die vorliegende Fallgestaltung kann letztlich nicht anders beurteilt werden als eine durch die Klagepartei veranlasste fehlerhafte Parteibezeichnung. Dort entspricht es der zwischenzeitlich gefestigten Rspr., dass die Parteibezeichnung zu berichtigen ist, wenn die Identität der Partei gewahrt bleibt (vgl. u.a. LAG München, Beschl. v. 10.2.1984 – 8 Ta 252/83, MDR 1985, 170, sowie OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.5.1995 – 23 U 9/93, OLGReport Düsseldorf 1995, 203).

Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, weil ihr Rechtsmittel erfolglos bleibt (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Den Beschwerdewert hat das Gericht gem. § 3 ZPO auf 3.443 Euro geschätzt; dies entspricht ca. 25 % des festgesetzte...

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