Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrenswert bei Scheidung und Versorgungsausgleich
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Festsetzung des Verfahrenswertes in Ehesachen nach § 43 FamGKG ist im Rahmen der Bewertung der Einkommensverhältnisse der Eheleute von deren Nettoeinkommen für jedes unterhaltsberechtigte Kind ein Betrag von monatlich 400 EUR in Abzug zu bringen.
2. Vorhandenes Vermögen der Eheleute ist werterhöhend einzubeziehen, wobei pro Ehegatte ein Freibetrag in Höhe von 25.000 EUR und für jedes unterhaltsberechtigte Kind weitere 10.000 EUR abgezogen werden; der Restbetrag wird für die Wertberechnung mit 5 % berücksichtigt.
3. Bei der Wertfestsetzung für den Versorgungsausgleich nach § 50 Abs. 1 FamGKG ist das Nettoeinkommen der Eheleute, anders als bei der Wertfestsetzung für die Scheidung, nicht im Hinblick auf die Unterhaltspflicht gegenüber Kindern zu verringern.
Normenkette
FamGKG §§ 43, 50
Verfahrensgang
AG Bad Hersfeld (Beschluss vom 09.11.2023; Aktenzeichen 63 F 630/22 S) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Hersfeld vom 9.11.2023 dahingehend abgeändert, dass der erstinstanzliche Verfahrenswert auf 48.540 EUR (28.800 EUR für die Scheidung und 19.740 EUR für die Folgesache Versorgungsausgleich) festgesetzt wird.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin haben einander am XX.XX.2012 geheiratet. Aus der Ehe sind drei noch minderjährige Kinder hervorgegangen. Bezüglich ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse zum Zeitpunkt der Antragstellung Ende 2022 haben die Eheleute angegeben, dass sie über mtl. netto 3.000 EUR bzw. 1.700 EUR sowie über Vermögen von 251.000 EUR und 186.000 EUR verfügt haben. Während der Ehezeit haben die Ehegatten insgesamt 14 dem Versorgungsausgleich unterfallende Anrechte erworben. Die Ehe ist durch Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Hersfeld vom 9.11.2023 geschieden worden; zugleich ist der Versorgungsausgleich geregelt worden. Den Verfahrenswert hat die Vorinstanz auf 45.850 EUR festgesetzt, wovon 30.100 EUR auf die Scheidung und 15.750 EUR auf den Versorgungsausgleich entfallen. Bei der Ermittlung des Wertes für die Scheidung hat die Vorinstanz das dreimonatige Nettoeinkommen der Ehegatten von 4.700 EUR unter Abzug von mtl. 950 EUR, vermutlich wegen der drei unterhaltsberechtigten Kinder, mit 11.250 EUR (3.750 EUR × 3) bewertet und wegen des beiderseitigen Vermögens eine Erhöhung um 18.850 EUR (251.000 EUR + 186.000 EUR - 2 × 30.000 EUR Freibetrag = 377.000 EUR; hiervon 5 %) auf 30.100 EUR vorgenommen. Bei der Berechnung des Wertes für die Folgesache Versorgungsausgleich ist das Amtsgericht von dem in Hinblick auf die vorhandenen Kinder reduzierten Dreimonatsbetrag von 11.250 EUR ausgegangen und so zu dem Betrag von 11.250 EUR : 10 × 14 = 15.750 EUR gelangt.
Gegen die Wertfestsetzung hat die Antragsgegnerin am 10.12.2023 Beschwerde eingelegt. Sie vertritt die Ansicht, dass der Verfahrenswert für die Scheidung ausschließlich anhand der beiderseitigen Einkommen festzusetzen sei. Hilfsweise verweist sie auf die Entscheidung des OLG Braunschweig vom 18.7.2023 (Az.: 1 WF 41/23), wonach im Fall der Berücksichtigung von Vermögen jedenfalls Freibeträge in Höhe von 60.000 EUR je Ehegatten und 30.000 EUR pro minderjährigem Kind in Abzug zu bringen seien.
Der Antragsteller und die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin verteidigen die angefochtene Entscheidung und verweisen auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats (OLG Frankfurt a. M., FamRZ 2017, 1769 f.).
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Der Einzelrichter hat das Verfahren mit Beschluss vom 6.3.2024 gemäß § 57 Abs. 5 S. 2 FamGKG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache auf den Senat in voller Besetzung übertragen.
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 59 FamGKG statthaft und auch im Übrigen zulässig, sie ist insbesondere binnen der Sechs-Monats-Frist des § 55 Abs. 3 S. 2 FamGKG eingelegt worden, und der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den Betrag von 200,00 EUR (§ 59 Abs. 1 S. 1 FamGKG). Ein Anwaltszwang gilt nicht, vgl. §§ 57 Abs. 4 S. 1, 59 Abs. 1 S. 5 FamGKG.
In der Sache hat das Rechtsmittel in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.
Der Wert ist wie folgt festzusetzen:
Scheidung |
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Einkommen (3.000 EUR + 1.700 EUR - 3 × 350 EUR = 3.650 EUR × 3) |
10.950 EUR |
Vermögen (251.000 EUR + 186.000 EUR - 2 × 25.000 EUR - 3 × 10.000 EUR |
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= 357.000 EUR; hiervon 5 %) |
17.850 EUR |
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28.800 EUR |
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Versorgungsausgleich (3.000 EUR + 1.700 EUR × 3 = 14.100 EUR : 10 × 14) |
19.740 EUR |
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48.540 EUR |
a) Gemäß § 43 Abs. 1 FamGKG ist der Verfahrenswert der Scheidungssache u. a. unter Berücksichtigung der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Eheleute zu bestimmen, wobei hinsichtlich letzterer nach § 43 Abs. 2 FamGKG ...