Leitsatz (amtlich)
Wenn ein im Ausland lebendes Kind vor einem international zuständigen inländischen Gericht Kindesunterhalt geltend macht, ist darauf deutsches Recht anzuwenden.
Die Vorfrage der Abstammung bestimmt sich dann ebenfalls nach inländischem Recht. Deshalb ist es unbedeutend, ob neben der nach deutschem Recht bestehenden Vaterschaft des Beklagten im Heimatland des Kindes ein Dritter als Vater gilt.
Normenkette
BGB §§ 1611, 1612a; EGBGB § 18; EuUntVO § 15; HUP § 4
Verfahrensgang
AG Offenbach (Urteil vom 06.01.2011) |
Tenor
Die Berufung wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Unterhalt ab dem 1.1.2010 nicht i.H.v. "50 % der Einkommensstufe 2 der jeweiligen Altersstufe der jeweils gültigen Düsseldorfer Tabelle" sondern i.H.v. 52,5 % des Mindestunterhalts gem. § 1612a Abs. 1 S. 2 und 3 BGB i.V.m. § 36 Nr. 4 EGZPO geschuldet ist.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.298 EUR festgesetzt.
Gründe
Der am 20.10.2004 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Seine Mutter stammt aus Weißrussland. Sie war bei der Geburt des Klägers mit einem dort lebenden Mann verheiratet, lebte aber mit dem Beklagten, einem deutschen Staatsangehörigen, in Deutschland zusammen. Durch Urteil des AG Langen vom 18.4.2006 wurde festgestellt, dass der Kläger nicht das Kind des Ehemanns der Kindesmutter ist. Der Beklagte hat die Vaterschaft anerkannt und ist in der Geburtsurkunde des Klägers als Vater eingetragen. Im vorliegenden Verfahren, das im Wege der Stufenklage im Dezember 2007 eingeleitet wurde, nimmt der Kläger den Beklagten auf Zahlung von Unterhalt für die Zeit seit dem 1.8.2008 in Anspruch. Bei Zustellung der Klage am 4.4.2008 wohnten der Kläger und seine Mutter noch in Deutschland. Sie sind kurze Zeit später nach Weißrussland zum Ehemann der Kindesmutter gezogen. Mit der angefochtenen Entscheidung hat das AG den Beklagten zu Unterhaltsleistungen verurteilt, wobei es mit Rücksicht auf niedrigere Lebenshaltungskosten einen Abschlag i.H.v. 50 % von den Tabellensätzen vorgenommen hat.
Der Beklagte erstrebt mit der Berufung die Abweisung der Klage. Er wendet ein, der Kläger gelte in Weißrussland als Kind des Ehemanns der Kindesmutter, werde von diesem unterhalten und sei infolgedessen nicht unterhaltsbedürftig. Die Mutter des Klägers verweigere ihm unter Hinweis auf die Vaterschaft ihres Ehemannes den Kontakt zum Kind.
Die in zulässiger Weise eingelegte Berufung war aus den Gründen des Hinweisbeschlusses des Senats vom 6.1.2012, auf den Bezug genommen wird, durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat und dem Rechtsstreit weder grundsätzliche Bedeutung zukommt noch die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern. Dabei bleibt es auch unter Berücksichtigung der ergänzenden Stellungnahme des Beklagtenvertreters vom 6.2.2012.
Ob die Mutter des Klägers dem Beklagten den Kontakt zu seinem Kind verweigert, ist zwischen den Parteien streitig, bedarf aber keiner Klärung. Dem Kläger ist kein Fehlverhalten anzulasten. Ein Fehlverhalten der Mutter kann ihm nicht zugerechnet werden. Im Übrigen kann die Unterhaltsverpflichtung gegenüber Minderjährigen gem. § 1611 Abs. 2 BGB nicht aus Billigkeitsgründen beschränkt oder ausgeschlossen werden.
Der Beklagte wäre auch dann zum Unterhalt verpflichtet, wenn die in Deutschland erfolgte Vaterschaftsanfechtung in Weißrussland nicht anerkannt und der Ehemann der Mutter nach weißrussischem Recht als Vater des Klägers gelten würde. Für Feststellung eines Verwandtschaftsverhältnisses zwischen den Parteien ist ausschließlich deutsches Recht maßgeblich.
Solange beide Parteien noch in Deutschland gelebt haben, war deutsches Recht im Hinblick auf ihren Wohnsitz und ihre gemeinsame Staatsangehörigkeit anzuwenden (Art. 18 Abs. 1 EGBGB a.F.). Die Frage der Abstammung des Klägers war durch die Anfechtung der Vaterschaft des Ehemannes der Mutter und die Vaterschaftsanerkennung des Beklagten geklärt.
In der Zeit ab der Übersiedlung des Klägers nach Weißrussland galt in Deutschland bis zum 17.6.2011 das Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht von 1973, welches durch Art. 18 EGBGB a.F. in inländisches Recht umgesetzt wurde. Nach Art. 4 des HaagerÜbk ist für die sich aus familiärer Beziehung ergebenden Unterhaltspflichten das am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten geltende innerstaatliche Recht maßgebend. Nur subsidiär, nämlich unter der Bedingung, dass der Berechtigte nach dem nach Art. 4 HaagerÜbk maßgeblichen Recht vom Verpflichteten keinen Unterhalt erlangen kann, ist in Art. 5 HaagerÜbk die Anwendung des Rechts der gemeinsamen Staatsangehörigkeit vorgesehen. Allerdings konnte jeder Vertragsstaat den Vorbehalt anbringen, dass seine Gerichte sein innerstaatliches Recht anwenden werden, wenn sowohl der Berechtigte als auch der V...