Leitsatz (amtlich)
Die Anordnung der Zwangsmedikation nach § 7a Abs. 2 HMRVG ist als Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Untergebrachten nur verhältnismäßig, wenn die besonderen Sicherungsmaßnahmen nach § 34 HMRVG als Eingriff in das Freiheitsrecht des Untergebrachten keinen Erfolg versprechen.
Normenkette
HMRVG § 7a Abs. 2
Verfahrensgang
LG Marburg (Entscheidung vom 18.12.2015; Aktenzeichen 7a StVK 23/15) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Marburg - 7. Strafkammer; Strafvollstreckungskammer - vom 18.12.2015 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Landgericht zurückverwiesen.
Der Antrag, dem Antragssteller einen Rechtsanwalt beizuordnen wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Kammer hat folgende Feststellungen getroffen:
Der Untergebrachte wurde durch Urteil des Landgerichts Gießen vom 20.06.2012 wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen und wegen Nachstellung tateinheitlich mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Gleichzeitig wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB angeordnet. Beim Antragsteller wurde eine atypische Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis (schizotype Störung, ICD-10: F21) diagnostiziert. Die Maßregel wird derzeit in der A Klink für ... in Stadt1 am Standort Stadtvollzogen.
Der derzeitige Verlauf der Unterbringung ist geprägt von der fehlenden Behandlungseinsicht des Antragstellers, dem Bestehen wahnhafter Symptome und einer hohen Impulsivität des Antragstellers. Der Antragsteller zeigt ein aggressives Verhaltensmuster, welches durch ein furchteinflößendes und massiv bedrohliches Auftreten gekennzeichnet ist. Seine Absonderung von der Gemeinschaft war deswegen erforderlich, sodass er in einer sogenannten E-light-Zelle untergebracht war.
Am 18.11.2015 erteilte das Hessische Ministerium für Soziales und Integration als Fachaufsichtsbehörde die Genehmigung nach § 7a Abs. 5 HMRVG.
Am 18.11.2015 kündigte die Klinik schriftlich gegenüber dem Antragsteller an, dass sie beabsichtige, ihn ab dem 23.11.2015 zwangsweise medikamentös zu behandeln und begründete dies. Hiergegen wandte sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 20.11.2015, bei Gericht eingegangen am selben Tag.
Durch den angefochtenen Beschluss vom 18.12.2015 hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zwangsmedikation nach § 7a Abs. 2 HMRVG lägen vor. Die Vorschrift entspreche auch den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, die diese an eine verfassungsgemäße Ermächtigungsgrundlage stelle. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 83 Nr. 4, Nr. 3, 138 Abs. 3, 116 Abs. 2 StVollzG zulässig. Sie ist in der gesetzlich vorgeschriebenen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§ 118 Abs. 1, Abs. 2 StVollzG). Die Rechtsbeschwerde erfüllt auch mit der zulässig erhobenen Sachrüge die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG, weil die Nachprüfung der Entscheidung zur Fortbildung des Rechtes geboten ist. Der vorliegende Fall bietet Anlass zu grundsätzlichen Ausführungen zur Annahme der Voraussetzungen der Zwangsmedikation nach § 7a Abs. 2 HMRVG.
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an die Strafvollstreckungskammer.
1. Der Senat braucht vorliegend nicht zu entscheiden, ob die gesetzliche Regelung über die Anordnung einer Zwangsmedikation nach § 7a Abs. 2, 2. Alternative HMRVG den verfassungsgerichtlichen Vorgaben entspricht (vgl. dazu, BVerfG, Beschluss vom 23.03.2011 - 2 BvR 882/09 -, BVerfG, Beschluss vom 12.10.2011 - 2 BvR 633/11) oder gegebenenfalls verfassungskonform auszulegen wäre. Bedenken könnten bei dieser Alternative bestehen, weil das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 23.03.2011 ausgeführt hat, dass als "rechtfertigender Belang nicht der gebotene Schutz dritter Personen vor Straftaten" des Untergebrachten im Falle seiner Entlassung aus der Unterbringung in Betracht kommen kann (BVerfG, Beschluss vom 23.03.2011, S. 14 - 2 BvR 882/09). Daraus könnte der Rückschluss gezogen werden, dass dies auch für dritte Personen innerhalb des Maßregelvollzuges gelten könnte.
Dies muss vorliegend aber nicht entschieden werden, weil die Feststellungen der Strafvollstreckungskammer nicht geeignet sind, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 7a Abs. 2 HMRVG anzunehmen.
1.1 Soweit die Strafvollstreckungskammer das Verfahren nach § 7a Abs. 3 bis Abs. 5 HMRVG als erfüllt angesehen hat, beinhaltet dieser Teil der Entscheidung keine Gesetzesverletzung. Insbesondere fand im vorliegenden Fall vor dem Behandlungsbeginn - entgegen der Auffassung des Antragstellers - eine von der Unterbringungseinrichtung unabhängige Prüfung über ...