Leitsatz (amtlich)
1. Zu Maßnahmen der Kapitalbeschaffung im Sinne des § 246a Abs. 1 S. 1 AktG gehört auch die Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen einschließlich Optionsanleihen, bei denen den Gläubigem ein Umtausch- oder Bezugsrecht auf Aktien der Gesellschaft eingeräumt wird.
2. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Freigabeantrag nach§ 246a AktG entfällt nicht durch Eintragung des angefochtenen Beschlusses der Hauptversammlung ins Handelsregister.
3. Durch das Erfordernis eines Quorums nach § 246a Abs. 2 Nr. 2 AktG soll die Verzögerung der Wirksamkeit von Strukturmaßnahmen verhindert werden, die im Hinblick auf das geringe Investment des Anfechtungsklägers unverhältnismäßig erscheint. Dabei ist auf den anteiligen Nennbetrag des Klägers am Grundkapital der Gesellschaft abzustellen.
Normenkette
AktG §§ 221, 246a
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 3-5 O 72/17)) |
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt die Feststellung, dass die gegen einen Beschluss ihrer Hauptversammlung erhobenen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen der Eintragung des Beschlussinhalts ins Handelsregister nicht entgegenstehen und, dass Mängel des Beschlusses die Wirkung der Eintragung und dessen Vollzug unberührt lassen.
Die Antragstellerin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Stadt1. Gegenstand des Unternehmens der Antragstellerin ist die Forschung und Entwicklung sowie zugehörige Dienstleistungen jeder Art im biomedizinischen Bereich. Das Grundkapital der Antragstellerin beträgt 2,1 Millionen Euro und ist in gleichviele auf die Inhaber lautende Stückaktien aufgeteilt. Die Aktien der Antragstellerin werden im Freiverkehr gehandelt.
Durch die am 30.6.2017 im Bundesanzeiger veröffentlichte Einladung hat der Vorstand der Antragstellerin die ordentliche Hauptversammlung am 10.8.2017 einberufen (Bl. 56 ff. d. A.). Die Einladung erfolgte unter Mitteilung der geplanten Tagesordnung. Der Tagesordnungspunkt 6 (im Folgenden: TOP 6.) betraf die Aufhebung einer früheren und Neufassung einer weiteren Ermächtigung des Vorstandes der Antragstellerin, Wandel- bzw. Optionsschuldverschreibungen auszugeben sowie die Schaffung von bedingtem Kapital und die erforderlichen Satzungsänderungen. Unter lit. b) Ziffer 3. des TOP 6. fand sich unter der Unterüberschrift "Bezugsrecht, Bezugsrechtsausschluss" eine beabsichtigte Satzungsregelung, die vorsah, dass der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrates ermächtigt sein sollte, das Bezugsrecht der Aktionäre der Antragstellerin in bestimmten Fällen der Anleiheausgabe ganz oder teilweise auszuschließen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des TOP 6 wird auf Anlage AST 1, Bl. 56R ff. d. A. Bezug genommen.
Unter dem 4.7.2017 unterzeichneten die beiden Vorstände der Antragstellerin einen schriftlichen Bericht des Vorstands mit der Überschrift "Schriftlicher Bericht des Vorstands zu Punkt 6 der Tagesordnung, Bezugsrechtsausschluss". Der Bericht enthält in seinem ersten Absatz den Satz: "Der Bericht liegt vom Tage der Einberufung in den Geschäftsräumen der Gesellschaft aus und ist über die Internetseite der Gesellschaft www.(...).de unter der Rubrik 'A' und dort unter 'Hauptversammlung' zugänglich gemacht". Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Berichts - insbesondere zu den Gründen für die Ermächtigungen zum Bezugsrechtsausschluss - wird auf die Anlage AST 2 (Bl. 62 ff. d. A.) Bezug genommen. Der schriftliche Bericht lag seit dem 4.7.2017, dem Tag der Unterzeichnung, in den Geschäftsräumen der Antragstellerin, im Vorstandssekretariat, zur Einsicht aus. Die Antragstellerin stellte den Bericht zudem auf ihrer Internetseite ein. Während der Hauptversammlung am 10.8.2017 lag der Bericht sowohl im Original als auch in Form mehrerer Abschriften am Wortmeldetisch aus. Die Richtigkeit der vorstehenden Umstände ist Gegenstand einer von der Antragstellerin vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Vorstandssekretärin.
Die Antragsgegner nahmen an der Hauptversammlung der Antragstellerin nicht teil. Von den Antragsgegnern hatte sich lediglich die Antragsgegnerin zu 1. mit einer Aktie zur Hauptversammlung angemeldet. Von den 2,1 Millionen Stimmrechtsanteilen waren 670.001 (entspricht 31,9%) bei der Hauptversammlung anwesend. Die Hauptversammlung stimmte mit einer Mehrheit von über 93% der abgegebenen Stimmen für die Annahme des als TOP 6. angekündigten Beschlussvorschlags. Im Übrigen wird auf die notarielle Niederschrift über die Hauptversammlung (Anlage AST 1, Bl. 39ff. d. A.) Bezug genommen. Am 25.8.2017 wurde der Beschluss gemäß TOP 6. der Hauptversammlung ins Handelsregister eingetragen.
Die Antragsgegner zu 1. und 3. haben den Beschluss der Hauptversammlung mit Klagen vom 11.9.2017 bzw. 10.9.2017 hinsichtlich der Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss und hilfsweise insgesamt angefochten. Der Antragsgegner zu 2. hat den Beschluss mit Klage vom 11.9.2017 vollständig angefochten, hilfsweise nur hinsichtlich des Bezugsrechtsausschlusses. Das Landgericht Frankfurt am Main hat die drei Verfahren mit Beschluss vom 4.10.2...