Entscheidungsstichwort (Thema)
Altfall. Fortdauer. Gewaltdelikte. hochgradige Gefahr. psychische Störung. Sexualdelikte. Sicherungsverwahrung. Fortdauer der Sicherungsverwahrung in Altfällen über zehn Jahre hinaus
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Begründung der in Altfällen (Begehung der Anlasstat für die Verhängung der Sicherungsverwahrung vor dem 1.4.1998 (Inkrafttreten des 6. StrRG vom 26.1.1998) für die Fortdauer der Maßregel über zehn Jahre hinaus erforderliche hochgradige Gefahr der Begehung schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten genügen allgemeine Erwägungen und die schlichte Fortschreibung unwiderlegter Gefährlichkeitshypothesen nicht und kann nicht allein auf die Vor- und Anlasstaten abgestellt werden. Vielmehr müssen sich positive Hinweise im Verhalten und in der Person des Untergebrachten dafür ergeben, dass die durch eine psychische Störung begründete Gefährlichkeit, die sich in den Anlasstaten ausgewirkt hat, unverändert und aktuell fortbesteht und sich deshalb bei Wegfall des gesicherten Vollzugsrahmens zu konkretisieren droht. Für diese Bewertung können u. a. das Vollzugsverhalten, die Rückfallgeschwindigkeit nach früheren Strafvollstreckungen sowie der soziale Empfangsraum herangezogen werden.
2. Zum Begriff der schwersten Gewalt- oder Sexualstraftat
3. Leidet der Verurteilte an einer Persönlichkeitsstörung, welche sowohl die Kriterien der dissozialen als auch der schizoiden Persönlichkeitsstörung erfüllt, liegt auch eine psychische Störung i. S. des § 1 I Nr. 1 ThUG vor.
Normenkette
StGB §§ 66, 67d Abs. 2-3; ThUG § 1
Verfahrensgang
LG Marburg (Entscheidung vom 13.12.2011; Aktenzeichen 7 StVK 110/11) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der 7. Strafkammer - Strafvollstreckungskammer - des Landgerichts Marburg vom 13. Dezember 2011 wird als unbegründet verworfen.
Der Verurteilte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I. Gegen den am ....195... geborenen und jetzt 5...-jährigen Beschwerdeführer wird seit dem 10.04.2002 die mit Urteil des Landgerichts Landshut vom ....1988 - ... - angeordnete Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollstreckt. Zehn Jahre der Maßregel werden am 09.04.2012 vollzogen sein.
Bereits als Jugendlicher war der Verurteilte mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Das Erziehungsregister wies für den Zeitraum vom ...1970 bis ....1974 fünf Eintragungen aus. Von 1975 bis zu der Entscheidung vom ....1988 war er sieben Mal strafrechtlich verurteilt worden. Darunter finden sich u.a. vier Verurteilungen zu Jugend- bzw. Freiheitsstrafen, die er jeweils voll verbüßte:
Am ....1976 wurde er durch Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden - rechtskräftig seit 10.02.1977 - (...) wegen Hehlerei und Diebstahls unter Einbeziehung einer Verurteilung durch das Amtsgericht Wiesbaden vom ...1975, rechtskräftig seit ....1975, (...) - ebenfalls wegen Diebstahls - zu einem Jahr und drei Monaten Jugendstrafe verurteilt. Nach Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung war die Strafe am ....1973 verbüßt.
Am ....1978 wurde er durch seit ....1978 rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Idstein (...) wegen Diebstahls und Trunkenheit im Straßenverkehr in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt. Einbezogen wurde hierbei ein Urteil des Amtsgerichts Idstein vom ....1978, rechtskräftig seit ....1973 (...), wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung.
Am ....1979 wurde er durch seit ....1979 rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden (...) wegen Diebstahls zu acht Monaten Freiheitsstrafe, die am ....1981 verbüßt waren, verurteilt.
Am ....1980 verurteilte ihn das Amtsgericht Wiesbaden (...) rechtskräftig wegen Diebstahls zu einem Jahr Freiheitsstrafe. Diese war am ....1980 verbüßt.
Das Landgericht Darmstadt - ... - verurteilte den Beschwerdeführer am ....1982 wegen "Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung in zwei Fällen sowie wegen versuchter Vergewaltigung in einem weiteren Fall" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten. Der Verurteilung lagen die folgenden Sachverhalte zugrunde:
Fall 1:
(Von der Darstellung wird aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes abgesehen)
Fall 2:
(Von der Darstellung wird aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes abgesehen)
Fall 3:
(Von der Darstellung wird aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes abgesehen)
Seit der am ....1982 eingetretenen Rechtskraft des Urteils vom ....1982 verbüßte der Verurteilte seine Strafe in der JVA X. Von einem ihm in der Zeit vom ... bis ...1986 gewährten Hafturlaub kehrte er nicht zurück. Während dieses Hafturlaubs bzw. während seiner anschließenden Flucht beging er in dem Zeitraum vom ... bis ...1986 ein "Verbrechen des schweren Raubes in Tatmehrheit mit einem Verbrechen des gemeinschaftlichen Raubes und einem Verbrechen des versuchten schweren Raubes in Tatmehrheit mit zwei sachlich zusammentreffenden Verbrechen der Vergewaltigung in einem Fall in Tateinheit mit einem Verbrechen der sexuellen Nötigung in Tatmehrheit mit einem Verb...