Leitsatz (amtlich)
1. Der/die Sachverständige genügt im Rahmen der Erstellung von Gutachten in Kindschaftsverfahren - ungeachtet der streitigen Frage, ob § 407a Abs. 4 S. 2 ZPO überhaupt anwendbar ist - seiner Hinweispflicht durch die Ankündigung, dass voraussichtlich die entstehenden Kosten die üblichen Kosten übersteigen werden.
2. Konkrete Kostenbeträge sind von ihr/ihm erst zu benennen, wenn das Gericht auf diese Ankündigung hin, einen Kostenrahmen vorgibt.
Normenkette
FamFG § 30 Abs. 1; JVEG § 4 Abs. 1, § 8 Abs. 2, § 9 Abs. 1; ZPO § 407a Abs. 4
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 460 F 9109/21) |
Tenor
Die der Sachverständigen ... für die Erstattung ihres schriftlichen Gutachtens vom 12.06.2023 zu zahlende Vergütung wird festgesetzt auf 20.890,47 EUR.
Gründe
I. Gegenstand des vor dem Senat anhängigen Beschwerdeverfahrens ist die vom Kindesvater begehrte Abänderung einer Sorgerechtsentscheidung, mit der der Kindesmutter die elterliche Sorge für das gemeinsame Kind allein übertragen worden ist.
Mit Beschluss vom 22.11.2022 hat der Senat die Einholung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens zu der Frage, wie sich ein Leben des Kindes in der Obhut des Kindesvaters bzw. eine Aufrechterhaltung der Fremdunterbringung auf dessen Wohl auswirken würde, beschlossen. Wegen der dabei im Einzelnen zu beleuchtenden Fragen wird auf den Beweisbeschluss Bl. 766 f. d. A. Bezug genommen; ein Kostenrahmen war nicht vorgegeben worden. Mit der Erstellung des Gutachtens war die im Rubrum des vorliegenden Beschlusses benannte Sachverständige beauftragt worden.
Die Sachverständige wies mit Schriftsatz vom 24.02.2023 den Senat auf den Stand der Begutachtung, die noch ausstehenden weiteren Schritte, die einen erheblichen zeitlichen Umfang beanspruchen würden und wörtlich wie folgt hin: "Insofern möchte ich hiermit meiner Verpflichtung nachkommen, i. S. v. § 407a Abs. 4 ZPO darauf hinzuweisen, dass die voraussichtlichen Kosten, die durch die Begutachtung entstehen werden, möglicherweise erheblich außer Verhältnis zum Verfahrenswert stehen werden". Außerdem hat die Sachverständige "aufgrund der bereits fortgeschrittenen Begutachtungszeit, besonders aber wegen der erheblichen Datenfülle in vorliegender Sache, die einen größeren zeitlichen Aufwand zur Ausarbeitung des schriftlichen Gutachtens erfordert" vorsorglich um Verlängerung der vom Senat bestimmten Frist zur Gutachtenserstattung gebeten (Bl. 826, 827 d. A.). Der Senat hat ohne weitere Stellungnahme zur Kostenproblematik mit Beschluss vom 27.02.2023 die beantragte Fristverlängerung bewilligt (Bl. 828 d. A.).
Für das von ihr unter dem Datum 12.06.2023 erstattete Gutachten hat die Sachverständige mit Schreiben gleichen Datums 20.890,47 EUR in Rechnung gestellt. Wegen der einzelnen Rechnungspositionen wird auf die Rechnung Bl. 1040 ff d. A. Bezug genommen.
Der Bezirksrevisor hat mit Vermerk vom 29.06.2023 - mit Verfügung vom 15.08.2023 (Bl. 1115 d. A.) elektronisch eingereicht - im Namen der Staatskasse die gerichtliche Festsetzung gem. § 4 JVEG beantragt und Bedenken gegen die Höhe der geltend gemachten Vergütung formuliert. Der in Rechnung gestellte Betrag - so die Argumentation - überschreite den Wert des Streitgegenstandes (4.000 EUR) um mehr als das 5- fache und stehe damit außer Verhältnis, worauf die Sachverständige nach §§ 30 Abs. 1 FamFG, 407a Abs. 4 S. 2 ZPO hätte hinweisen müssen. Der Hinweis der Sachverständigen im Schreiben vom 24.02.2023, dass die voraussichtlich entstehenden Kosten "möglicherweise" außer Verhältnis zum Streitgegenstand stehen könnten, sei zu unbestimmt und unzureichend. Außerdem mache die Sachverständige einen Zeitaufwand für das Studium von 1750 Blatt Akten (100 Blatt = 1 Stunde) geltend, obgleich bei Übersendung der Akte diese nur 768 Blatt umfasst habe.
Die Sachverständige hat mit Schriftsatz vom 26.07.2023 zum Festsetzungsantrag des Bezirksrevisors Stellung genommen und dabei im Einzelnen die im Rahmen der Begutachtung einbezogenen Akten nebst deren Umfang benannt. Es könne nicht von einer 5- fachen Überschreitung des Verfahrenswertes ausgegangen werden, weil aufgrund der besonderen Komplexität des Falles und der erforderlichen hohen Reisetätigkeit angesichts der Unterbringung des Kindes in Goslar der Verfahrenswert deutlich höher als 4.000 EUR festzusetzen sei. Mit der im Hinweisschreiben vom 24.02.2023 gewählten, vielleicht unglücklichen Formulierung von "möglicherweise" zu erwartenden höheren Kosten, habe sie sich an einem Beispieltext orientiert.
Auf ihren Antrag war der Sachverständigen am 19.09.2023 ein Vorschuss in Höhe von 9.520 EUR gezahlt worden.
Erstinstanzlich war der Verfahrenswert vom Amtsgericht mit Beschluss vom 29.10.2021 auf 4.000 EUR festgesetzt worden (Bl. 238 d. A.); der Senat hat noch keine Wertfestsetzung vorgenommen.
II. Auf den Antrag der Staatskasse war die an die Sachverständige ... zu zahlende Vergütung für das schriftliche Gutachten vom 12.06.2023 gem. § 4 Abs. 1 JVEG auf 20.890,47 EUR festzusetzen. ...