Leitsatz (amtlich)
1. § 407a Abs. 4 Satz 2 ZPO findet in den von Amts wegen einzuleitenden und der Disposition der Beteiligten entzogenen Kinderschutzverfahren keine Anwendung mit der Folge, dass eine auf den unterbliebenen Hinweis des Sachverständigen auf die Höhe der Kosten gestützte Herabsetzung der Sachverständigenvergütung nach § 8a Abs. 3 JVEG ausscheidet (im Anschluss an OLG Frankfurt am Main (8. Familiensenat), Beschluss vom 16.06.2021 - 8 WF 200/18, NZFam 2021 842; entgegen OLG Frankfurt am Main (18. Zivilsenat), Beschluss vom 15.06.2021, NZFam 2022, 30).
2. Für das Aktenstudium eines medizinischen oder psychologischen Sachverständigen ist in der Regel eine Stunde je 80 bis 100 Seiten Aktenstudium einschließlich der Fertigung von Notizen erforderlich, soweit es sich um allgemeinen Akteninhalt handelt, der ohne größere Schwierigkeiten durchgesehen werden kann. Lediglich komplizierte, für die gerichtliche Fragestellung relevante Inhalte wie beispielsweise in der Akte befindliche medizinische oder psychologische Gutachten oder Befundberichte können eine Erhöhung des für das Aktenstudium erforderlichen Zeitaufwands auf 50 Seiten je Stunde rechtfertigen.
Normenkette
FamFG § 30; JVEG §§ 8, 8a; ZPO § 407a Abs. 4 S. 2
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 464 F 10238/20) |
Tenor
... wird die dem Sachverständigen A für die Erstattung seines schriftlichen Gutachtens vom 23.1.2023 zu zahlende Vergütung festgesetzt auf 8.233,97 Euro.
Die der Sachverständigen B für die Erstattung ihres schriftlichen Gutachtens vom 23.1.2023 zu zahlende Vergütung wird festgesetzt auf 10.539,96 Euro.
Gründe
I. Gegenstand des vor dem Senat anhängig gewesenen Beschwerdeverfahrens war der von den Eltern angefochtene Entzug der elterlichen Sorge für ihre beiden minderjährigen Kinder.
Der Senat ordnete mit Beweisbeschluss vom 22.4.2022 die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zu folgenden Beweisfragen an:
1. Liegen bei beiden Eltern aus psychologischer Sicht Einschränkungen der Erziehungsfähigkeit für die beiden betroffenen Kinder vor? Insbesondere: Lassen sich bei beiden Eltern psychische Störungen oder Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit feststellen und welche Einschränkungen ergeben sich daraus in Bezug auf die Erziehungsfähigkeit?
2. Weisen beide Kinder aus psychologischer Sicht im Hinblick auf ihre bisherige Entwicklung irgendwelche besonderen Bedarfe auf?
3. Welche Auswirkungen hätte eine Rückführung beider Kinder in den Haushalt der Eltern für die künftige Entwicklung beider Kinder?
4. Lassen sich etwaige Gefahren für die künftige Entwicklung der Kinder durch geeignete öffentliche Hilfen oder durch Behandlungen der Eltern abwenden? Falls ja, durch welche? In diesem Zusammenhang wird gegebenenfalls auch zu erörtern sein, ob eine dauerhafte stationäre Unterbringung der Eltern und der Kinder im Sinne einer begleiteten Elternschaft geeignet wäre, eine Gefährdung des Kindeswohls abzuwenden, und welche Voraussetzungen eine entsprechende Einrichtung erfüllen müsste.
Mit der Gutachtenerstellung wurden die beiden im Rubrum des vorliegenden Beschlusses genannten Sachverständigen beauftragt. Dem Sachverständigen A wurde die klinisch-psychologische Begutachtung beider Eltern gemäß Beweisfrage 1 aufgegeben, der Sachverständigen B die Beantwortung der Beweisfragen im Übrigen. Mit Beschluss vom 20.7.2022 genehmigte der Senat die vom Sachverständigen A angeregte Durchführung von Haaranalysen beider Eltern durch das Institut für Forensische Toxikologie der J. Im weiteren Verlauf des Verfahrens wurde der Senat von den Sachverständigen wiederholt über den Fortgang der Begutachtung und die noch beabsichtigten Untersuchungen unterrichtet, was wiederholte Verlängerungen der für die Gutachtenerstattung gesetzten Frist nach sich zog.
Der Sachverständige A stellte der Staatskasse für sein unter dem Datum 23.1.2023 erstattetes Gutachten mit Schreiben vom 22.2.2023 einen Betrag von 8.233,97 Euro in Rechnung, die Sachverständige B für ihr ebenfalls unter dem Datum 23.1.2023 erstattetes Gutachten einen Betrag von 11.468,17 Euro. Wegen der einzelnen Rechnungspositionen wird auf die beiden Rechnungen vom 22.2.2023 Bezug genommen. Auf den Inhalt der von beiden Sachverständigen erstatteten Gutachten vom 23.1.2023 wird ebenfalls Bezug genommen.
Im Rahmen eines Vermerks vom 28.2.2023 hat der Bezirksrevisor beim Oberlandesgericht im Namen der Staatskasse auf Bedenken gegen die Höhe der geltend gemachten Vergütung hingewiesen. Er hat ausgeführt, die geltend gemachte Vergütung stehe erheblich außer Verhältnis zu dem mit 4.000,- Euro zu bemessenden Wert des Streitgegenstands, worauf die Sachverständigen nach §§ 30 Abs. 1 FamFG, 407a Abs. 4 Satz 2 ZPO hätten hinweisen müssen. Das Unterbleiben des Hinweises habe nach § 8a Abs. 3 JVEG zur Folge, dass vom Gericht nach billigem Ermessen eine in einem angemessenen Verhältnis zum Wert des Streitgegenstands stehende Vergütung zu bestimmen sei.
Im Rahmen eines weiteren Vermerks vom 6.3.2023 hat...