Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang des Anspruchs auf Nutzungsvergütung nach § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB
Leitsatz (amtlich)
1. Der Anspruch auf Nutzungsvergütung nach § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB erfasst grundsätzlich auch vom dinglichen Alleinberechtigten getragenen Nebenkosten bzw. Hausgeld, soweit diese üblicherweise vertraglich auf einen Mieter umgelegt werden könnten.
2. Bezieht der nutzungsberechtigte Ehegatte Leistungen nach dem SGB II, ist seine Leistungsfähigkeit im Rahmen der Billigkeitsprüfung von § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB letztlich nicht von Belang, soweit die von ihm zu entrichtende Nutzungsvergütung im Rahmen von § 22 SGB II zu berücksichtigen ist.
Verfahrensgang
AG Darmstadt (Beschluss vom 29.07.2021; Aktenzeichen 51 F 282/21 WH) |
Tenor
Die angefochtene Entscheidung wird abgeändert. Die Beschwerdeführerin wird unter Zurückweisung des Antrags im Übrigen verpflichtet, an den Beschwerdegegner 5.135,- Euro als Nutzungsvergütung für die Zeit vom 1.10. 2020 bis zum 24.08.2021 zu zahlen.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
Der Beschwerdewert wird auf 3.000,- Euro festgesetzt.
Die Verfahrenskostenhilfegesuche der Beteiligten für die zweite Instanz werden zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen eine Entscheidung, mit der sie zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die frühere Ehewohnung der Beteiligten verpflichtet wurde.
Die Beteiligten waren verheiratet. Aus der Ehe sind die dreizehn, elf und sieben Jahre alten Kinder A, C und B hervorgegangen. Die Familie lebte in einer im Alleineigentum des Beschwerdegegners stehenden Wohnung mit 82 qm Wohnfläche. Die Beschwerdeführerin war Hausfrau. Der Beschwerdegegner ist berufstätig. Im vorliegenden Verfahren gibt er sein Nettoeinkommen mit 2.100,- EUR an. In einem zwischen den Beteiligten geführten Unterhaltsverfahren hat er 2.400,- EUR angegeben. Der Beschwerdegegner bezahlt auf einen zur Finanzierung des Kaufs der Ehewohnung aufgenommenen Kredit monatlich 944,35 EUR und an die Wohnungseigentümergemeinschaft monatlich 354,06 EUR Hausgeld.
In dem Verfahren ... hat das Amtsgericht die Ehewohnung der Beschwerdeführerin zur alleinigen Nutzung zugewiesen und den Beschwerdegegner zum Auszug bis zum 31.08.2020 verpflichtet, weil das zum Schutz der Kinder vor einem wesentlich durch den Beschwerdegegner verursachten Loyalitätskonflikt in einem schon lange anhaltenden Trennungsstreit geboten erschien. Die Beschwerdeführerin bewohnt die Ehewohnung seitdem mit den Kindern. Der Haushalt lebt von Leistungen nach dem UVG und dem SGB II. Der Beschwerdegegner bezahlt weder Kindes- noch Trennungsunterhalt. Er wird von der Beschwerdeführerin in einem weiteren Verfahren vor dem Amtsgericht (...) auf Zahlung des Mindestunterhalts für die Kinder in Anspruch genommen, wegen des Leistungsübergangs auf Sozialleistungsträger aber erst ab dem Monat, der auf den Schluss der noch anstehenden mündlichen Verhandlung folgt.
Mit Schreiben vom 11.09.2020 hat der Beschwerdegegner die Beschwerdeführerin auffordern lassen, ihm das Hausgeld zu erstatten. Im Übrigen behielt er sich vor, eine Nutzungsentschädigung für die Wohnung geltend zu machen, wenn von ihm Unterhalt gefordert würde. Der Stufenantrag im Unterhaltsverfahren ist am 21.09.2020 bei dem Amtsgericht eingegangen.
Im vorliegenden Verfahren hat der Beschwerdegegner mit der Beschwerdeführerin im Februar 2021 zugegangenem Antrag unter Berufung auf sein Eigentum und die Tragung der Kreditlasten ihre Verpflichtung zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 984,- EUR zuzüglich 354,06 EUR Nebenkosten erstrebt. Die Beschwerdeführerin ist dem Antrag entgegengetreten. Die Festsetzung einer Nutzungsentschädigung entspreche nicht der Billigkeit, weil sie mittellos sei und der Beschwerdegegner keinen Unterhalt bezahle. Ein von den Beteiligten abgeschlossener Widerrufsvergleich, wonach die Beschwerdeführerin auf die Geltendmachung von Unterhalt auch für die Kinder und der Beschwerdegegner auf Nutzungsentschädigung verzichtete, ist am Widerspruch der Unterhaltsvorschusskasse gescheitert.
Das Amtsgericht hat die Beschwerdeführerin verpflichtet, an den Beschwerdegegner monatlich 1.094,14 EUR Nutzungsentschädigung zu zahlen. Der Betrag errechnet sich aus einer Kaltmiete von 820,- EUR und dem um die Instandhaltungsrücklage geminderten Hausgeld (354,06 EUR - 79,92 EUR= 274,14 EUR).
Die Beteiligten sind seit dem 24.08.2021 rechtskräftig geschieden. Der Scheidungsantrag war der Beschwerdeführerin am 30.09.2020 zugestellt worden.
Mit der am 16.09.2021 eingegangenen Beschwerde gegen den ihr am 16.08.2021 zugestellten Beschluss erstrebt die Beschwerdeführerin die Abweisung des Antrags. Die Wohnung sei ihr wegen des höchst belastenden Verhaltens des Beschwerdegegners zugewiesen worden. Das Amtsgericht habe im ersten Jahr nach der Trennung nicht auf den objektiven Mietwert abstellen dürfen. Sie könne keine Nutzungsentschädigung bezahlen, weil sie von dem Beschwerdegegner für die Kinder und sich keinen ...