Leitsatz (amtlich)
1. Verfahren betreffend Nutzungsvergütungsansprüche in der Trennungszeit nach § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB sind als Ehewohnungssachen i.S.d. § 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG und nicht als sonstige Familiensachen nach § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG zu führen.
2. Bis zur Rechtshängigkeit der Ehescheidung wird im Rahmen des § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB lediglich Nutzungsvergütung in Höhe des subjektiven Wohnwerts (fiktive Kosten einer angemessenen Ersatzwohnung) geschuldet.
3. Leben neben dem die Ehewohnung nutzenden Ehegatten auch gemeinsame Kinder in der im Miteigentum der Ehegatten stehenden Immobilie, ist dies für die Höhe der geschuldeten Nutzungsvergütung nur dann von Belang, wenn der anspruchstellende Ehegatte den Wohnbedarf der Kinder nicht durch die Leistung von Barunterhalt deckt. Ist dies nicht der Fall, ist der Wohnwert in Höhe des im (fiktiven) Kindesunterhalt enthaltenen pauschalen Wohnbedarfs von 20 % zu reduzieren.
4. Tilgt der nutzungsberechtigte Ehegatte gemeinsame Schulden betreffend die Finanzierung des Grundeigentums, ist dies von der Höhe der Nutzungsvergütung in Abzug zu bringen.
5. Stellt der Antragsgegner nach einem Wechsel der Nutzung der Immobilie seinerseits einen Widerantrag auf Zahlung einer Nutzungsvergütung, erhöht dies den nach § 48 Abs. 1 FamGKG zu berechnenden Verfahrenswert nicht.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert.
Die Antragstellerin wird verpflichtet, an den Antragsgegner eine Nutzungsvergütung in Höhe von 15.933,- EUR zu zahlen.
Im Übrigen werden die darüberhinausgehende Beschwerde des Antragsgegners sowie die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.
Von den Kosten beider Rechtszüge trägt die Antragstellerin 2/3 und der Antragsgegner 1/3.
Der Beschwerdewert wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.
Unter Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung wird der Wert für die erste Instanz auf ebenfalls 3.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die miteinander verheirateten Beteiligten leben seit September 2019 voneinander getrennt. Aus der Ehe der Beteiligten sind die zwei Söhne A (geb. XX.XX.2001) und B (geb. XX.XX.2003) hervorgegangen.
Die Beteiligten waren Miteigentümer zu gleichen Teilen an der Immobilie Straße1 in Stadt1, in der die Familie bis zur Trennung zusammenlebte. Der objektive Mietwert der Immobilie beträgt monatlich 2.000,00 EUR.
Nach dem Auszug der Antragstellerin aus dem Familienheim, bewohnte zunächst der Antragsgegner zunächst gemeinsam mit den Kindern bis Anfang/Mitte März das Haus. Zu Unterhaltszahlungen für die Kinder durch die Antragstellerin kam es in diesem Zeitraum nicht.
Nachdem der Antragstellerin mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Darmstadt vom 23.12.2019 (Az. ...) die Ehewohnung zur alleinigen Nutzung zugewiesen worden war, kehrte diese spätestens am 15.03.2020 in das Haus zurück, indem auch die Kinder verblieben.
Dort lebte die Antragstellerin mit den Kindern bis zur Versteigerung der Immobilie im November 2021.
Jedenfalls bis Februar 2020 überwies der Antragsgegner die auf der gemeinsamen Immobilie lastenden Verbindlichkeiten in Höhe von monatlich 1.775,00 EUR. Die Zahlungen stellte er im Februar 2020 ein, was die Kündigung der Kredite durch die Banken nach sich zog. Nachdem die kreditgebende Bank wegen der Einstellung der Kreditrückzahlungen die Zwangsvollstreckung in die Immobilie betrieben hatte, wurde diese im November 2021 zwangsversteigert. Den Zuschlag in der Versteigerung erhielt der Antragsgegner. Seitdem bewohnt er wieder die Immobilie gemeinsam mit den Kindern.
Nach dem Einzug der Antragstellerin zum 15. März 2020 hat der Angstgegner gegenüber dem älteren Sohn A keine monatlichen Unterhaltszahlungen erbracht, während er für B jedenfalls zunächst einen Betrag von 293,00 EUR leistete, der dann später auf den gesetzlichen Mindestunterhalt erhöht worden ist.
Die Eheleute sind oder waren im Übrigen gleichberechtigte Geschäftsführer und Gesellschafter einer im Vertrieb von (...). Bis Dezember 2021 hielten sie auch zu gleichen Teilen Anteile an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, welche die Altersvorsorge der Eheleute sicherstellen sollte. Diese wurde im Dezember 2021 beendet. Die Beteiligten streiten bereits seit längerem über Fragen der Geschäftsführung und Beteiligungsverhältnisse an der GmbH und werfen sich wechselseitig unzulässige Verfügungen über Geschäftsgelder vor, wobei die Antragstellerin der Ansicht ist, dass ihr unzureichende Einsicht in die Firmenunterlagen gewährt wird.
Ein Trennungsunterhaltsverfahren ist bei dem Amtsgericht noch anhängig, Unterhalt wird vom Antragsgegner an die Antragstellerin nicht gezahlt.
Der Antragsgegner behauptet, er habe die Tilgungsraten bis Februar 2020 aus eigenen Mitteln beglichen, während die Antragstellerin einwendet, dass dies aus Mitteln der Gesellschaften finanziert worden sei, die ihr jedenfalls zur Hälfte auch zustehen würden.
Der Antragsgegner wurde mit Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vom 08.10.2019 zu...