Normenkette

StVollzG § 119a; StGB § 66c

 

Verfahrensgang

LG Marburg (Entscheidung vom 28.07.2015; Aktenzeichen 11 StVK 19/15)

 

Tenor

Die Beschwerde wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 121 Abs. 1, Abs. 4 StVollzG, § 473 Abs. 1 StPO).

Der Gegenstandswert wird auf € 5000,-- festgesetzt (§§ 65, 60, 52 Abs. 2 GKG).

 

Gründe

Die gem. § 119a Abs. 5 StVollzG zulässige Beschwerde des Verurteilten ist unbegründet. Auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses wird Bezug genommen. Darüber hinaus ist auszuführen:

Nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung kann auf die Prüfung nach § 119a StVollzG auch dann nicht verzichtet werden, wenn es aus Rechtsgründen nicht zu einer Vollstreckung der Maßregel der Sicherungsverwahrung kommen kann. Eine solche einschränkende Auslegung wäre mit dem Wortlaut der gesetzlichen Prüfungspflicht des § 119a StVollzG und dem Behandlungsgebot des § 66c StGB nicht vereinbar. Das ergibt sich auch aus dem Gesetzentwurf zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung (BT-Drucks 17/9874). Danach soll die Formulierung in § 66c Abs. 2 StGB ("schon im Strafvollzug") verdeutlichen, dass die Betreuungsvorgaben nicht nur dann gelten, wenn gerade die Freiheitsstrafe vollstreckt wird, die wegen der Tat oder Taten verhängt wurde, die auch Anlass für die Sicherungsverwahrung ist oder sind (BT-Drucks aaO, Seite 18). Damit müssen die Betreuungsvorgaben erst recht gelten, wenn die Anordnung der Sicherungsverwahrung in dem derzeit vollstreckten Urteil erfolgt ist.

Es obliegt dem Gesetzgeber, für diesen Fall gegebenenfalls eine einschränkende gesetzliche Regelung zu schaffen. Denn nicht nur solche Strafgefangene, gegen die neben einer lebenslangen Freiheitsstrafe keine Sicherungsverwahrung angeordnet ist, werden gegenüber Gefangenen, gegen die daneben auch die Sicherungsverwahrung angeordnet ist, benachteiligt, weil für sie keine Behandlungspflicht im Sinne des § 66c Abs. 1 Nr. 1 StGB besteht. Auch solche Gefangene, die (nur) eine zeitige Freiheitsstrafe verbüßen, werden dadurch benachteiligt, dass für eine unter Umständen dringend gebotene Behandlung während des zeitigen Strafvollzugs wegen der vorrangigen Pflicht zur Behandlung der Gefangenen mit angeordneter Sicherungsverwahrung keine Behandlungsangebote mehr zur Verfügung stehen, weil entsprechende Kapazitäten verbraucht sind.

Soweit die Verteidigung beanstandet, dass die Feststellungen in den Beschlussgründen unvollständig seien, übersieht sie, dass der Senat im Beschwerdeverfahren die umfassende Prüfungs- und Entscheidungskompetenz hat und nicht auf eine Rechtskontrolle wie im Rechtsbeschwerdeverfahren beschränkt ist (OLG Hamm, B. vom 26.11.2015 - 1 Vollz (Ws) 525/15, 1 Vollz (Ws) 526/15).

In dem zu beurteilenden zweijährigen Prüfungszeitraum ab 01. Juni 2013 (Art. 316 f Abs. 3 Satz 2 EGStGB) entsprach die dem Verurteilten von der Justizvollzugsanstalt angebotene Betreuung den Anforderungen des § 66c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB.

Die Justizvollzugsanstalt hatte bei der Auswahl der Betreuungsmaßnahmen die der Anordnung der Sicherungsverwahrung zu Grunde liegenden Feststellungen, die Behandlungsindikation und den bisherigen Vollzugsverlauf in den Blick zu nehmen (KG, B. vom 19. August 2015 - 2 Ws 154/15 - 141 AR 327/15).

Davon ausgehend kam es für den (erstmaligen) Überprüfungszeitraum zunächst maßgeblich darauf an, was das erkennende Landgericht Nürnberg-Fürth in dem zugrundeliegenden Urteil vom 18.06.2002 - rechtskräftig - festgestellt hat. Die Kammer kam - sachverständig beraten - zu dem Ergebnis, dass bei dem Verurteilten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung vorliegt, ferner ein erheblicher Substanzmissbrauch, aber keine Suchtmittelabhängigkeit. Entsprechend verneinte die Strafkammer das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 64 StGB.

Danach hat sich die Anstalt in nicht zu beanstandender Weise gerichtet.

Es kann dahin stehen, ob ein Gutachten zur Behandlungsprognose und den geeigneten Behandlungsangeboten, das mittlerweile - nach Beschlussfassung durch die Strafvollstreckungskammer - bei Frau A in Auftrag gegeben wurde, bereits früher hätte eingeholt werden müssen. Denn jedenfalls hat die JVA den Anforderungen des § 66c Abs. 1 Nr. 1 StGB dadurch Rechnung getragen, dass sie dem Verurteilten unter anderem die Teilnahme an dem Rückfallvermeidungsprogramm "Relapse Prevention" angeboten hat, wie sich aus dem unwidersprochenen Bericht der JVA 1 vom 24.04.2015 ergibt.

Seitens der JVA wurden für den Verurteilten die Teilnahme an einem Training Sozialer Kompetenzen, Reasoning an Rehabilitation (R&R) sowie das Relapse Prevention- Rückfallvermeidungsprogramm als geeignet angesehen. Um letzteres hat sich der Verurteilte zunächst auch bemüht, dann aber daran nicht teilgenommen, um eine von ihm angestrebte Verlegung in die Sozialtherapeutische Anstalt der JVA 2 nicht "zu gefährden". Es steht aber für den Verurteilten nicht zur Disposition, wo er geeignet...

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