Entscheidungsstichwort (Thema)
Strafvollzugsbegleitende gerichtliche Kontrolle bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung, erforderliche Behandlungsmaßnahmen
Leitsatz (amtlich)
1. Behandlungsmaßnahmen, welche im Vollzugsplan ausdrücklich vorgesehen sind, sind im Rahmen der Überprüfung ausreichender Betreuung gemäß § 119a StVollzG unabhängig von ihrer tatsächlichen Notwendigkeit regelmäßig als erforderlich im Sinne des § 66c Abs. 1 StGB anzusehen, da ansonsten das Überprüfungsverfahren immer mit einem nicht zu leistenden Erfordernis einer Überprüfung der angeordneten Behandlungsmaßnahmen auf Ihre Erforderlichkeit verbunden wäre.
2. Aus dem „Bringschuldcharakter“ einer den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Betreuung resultiert die Aufgabe der Vollzugsbehörde, dem Verurteilten entsprechende Behandlungsmaßnahmen anzubieten und ihn zu deren Wahrnehmung zu motivieren, sofern nicht jeglicher Ansatz für eine Motivationsarbeit fehlt.
Normenkette
StVollzG § 119a Abs. 1; StGB § 66c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Aktenzeichen 1 StVK 3/19) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, soweit festgestellt worden ist, dass die dem Betroffenen von der Vollzugsbehörde angebotene Betreuung auch für die Zeiträume vom 28.02.2018 bis zum 25.03.2018, vom 23.05.2018 bis zum 13.08.2018 sowie vom 14.09.2018 bis zum 21.10.2018 den gesetzlichen Anforderungen entsprach.
Es wird festgestellt, dass die dem Betroffenen von der Vollzugsbehörde in den vorgenannten Zeiträumen angebotene Betreuung nicht den Vorgaben des § 66c Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StGB entsprochen hat.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen zur Last; jedoch wird die Gerichtsgebühr um 20 % ermäßigt. In diesem Umfang trägt auch die Landeskasse die dem Betroffenen im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen (§ 121 Abs. 4 StVollzG i.V.m. § 473 Abs. 1 und Abs. 4 StPO).
Der Beschwerdewert wird auf 5.000,00 € (§§ 60, 52 GKG) festgesetzt.
Gründe
I.
Der Betroffene ist durch Urteil des Landgerichts Essen vom 19.12.2014 wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren verurteilt worden. Gleichzeitig wurde seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
Der Betroffene befand sich in diesem Verfahren seit dem 20.06.2014 bis zum Tag des Eintritts der Rechtskraft des Urteils vom 19.12.2014 am 01.07.2015 in Untersuchungshaft und verbüßt seither Strafhaft zwecks Vollstreckung der vorgenannten Freiheitsstrafe.
Zunächst befand der Betroffene sich in der JVA Essen, sodann ab dem 23.09.2015 zum Einweisungsverfahren in der JVA Hagen, seit dem 18.12.2015 in der JVA Werl, seit dem 08.09.2016 in der JVA Siegburg und seit dem 07.11.2017 erneut in der JVA Werl, wo er auf der Abteilung MoBASS (Motivations- und Behandlungsabteilung für Strafgefangene mit angeordneter oder vorbehaltender Sicherungsverwahrung) untergebracht ist. Das Strafende ist auf den 19.06.2021, der Beginn der Sicherungsverwahrung ab dem 20.06.2021 notiert.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bonn hatte mit Beschluss vom 28.06.2017 im Rahmen der Prüfung gemäß § 119 a StVollzG für den - insoweit nicht mit Datum benannten - ersten Überprüfungszeitraum festgestellt, dass die dem Betroffenen von der Vollzugsbehörde angebotene Betreuung den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hat.
Der Beschluss des Landgerichts Bonn wurde der Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen nach ihren Angaben am 11.07.2017 zugestellt.
Mit Beschluss vom 25.02.2020 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg für den darauffolgenden Überprüfungszeitraum festgestellt, dass die Vollzugsbehörde dem Betroffenen im Zeitraum vom 28.06.2017 bis zum 11.07.2019 eine ausreichende Behandlung angeboten hat.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Betroffenen vom 04.05.2020.
Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen und die Generalstaatsanwaltschaft haben beantragt, die Beschwerde des Betroffenen als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat teilweise Erfolg. Der Beschluss vom 25.02.2020 hält hinsichtlich der Zeiträume vom 28.02.2018 bis zum 25.03.2018, vom 23.05.2018 bis zum 13.08.2018 sowie vom 14.09.2018 bis zum 21.10.2018 einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. In den vorgenannten Zeiträumen hat die dem Betroffenen von der Vollzugsbehörde angebotene Betreuung nicht den Vorgaben des § 66c Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StGB entsprochen.
1. Zunächst ist klarzustellen, dass der Prüfungs- und Feststellungszeitraum des § 119a StVollzG entsprechend den zutreffenden Ausführungen der Strafvollstreckungskammer vorliegend die Zeit vom 28.06.2017 bis zum 11.07.2019 umfasst. Im Hinblick auf das Ende des zu überprüfenden zurückliegenden Zeitraums ist nach der Regelung des § 119a Abs. 3 Satz 3 letzter HS StVollzG auf die Bekanntgabe der vorherigen (erstinstanzlichen) Entscheidung (hier: bewirkte Zustellung an die Verfahrensbevollmächtigte am 11.07.2017, vgl. § 37 ...