Entscheidungsstichwort (Thema)
Strafvollzugsbegleitende gerichtliche Kontrolle bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung. örtliche Zuständigkeit bei zwischenzeitlicher Verlegung des Strafgefangene. Feststellung ausreichender Betreuungsangebote der Vollzugsanstalt
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der vollzugsbegleitenden gerichtlichen Kontrolle des Behandlungsangebots bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung (§ 119a StVollzG) sind grundsätzlich alle Vollzugsbehörden zu beteiligen, in denen der Betroffene im Überprüfungszeitraum untergebracht war. Für die gerichtliche Kontrolle des Betreuungsangebots ist diejenige Strafvollstreckungskammer örtlich zuständig, in deren Bezirk die Vollzugsbehörde ihren Sitz hat, in der der Betroffene am Ende des Überprüfungszeitraums untergebracht war (vgl. Senat, Beschluss vom 22.11.2018 - 1 Vollz (Ws) 309/18-, juris).
2. Der Vollzugsverwaltung ist hinsichtlich der gemäß § 66c Abs. 2, Abs. 1 Nr. 1 StGB erforderlichen Betreuungsangebote in Fällen, in denen der Verurteilte sich zunächst in Untersuchungshaft befand, nach dem Übergang zur Strafhaft ein gewisser Organisationszeitraum von in der Regel bis zu vier Wochen insbesondere zur Vorbereitung und Umsetzung der Verlegung in die Einweisungsanstalt zuzubilligen, deren Durchführung ohne begleitendes Untersuchungs- und Behandlungsangebot hinzunehmen ist.
3. Zwar steht der nach der Einweisungsentscheidung zuständigen Vollzugsbehörde ein gewisser Zeitraum zu eigener intensiver Untersuchung und Behandlungsplanung für einen neu aufgenommenen Verurteilten zur Verfügung, in dem eine Behandlung noch nicht angeboten, sondern erst vorbereitet wird. Dieser kann aber jedenfalls dann, wenn bereits die Einweisungsentscheidung Diagnose und die Grundzüge der gebotenen Therapie erkennen lässt, nur im Ausnahmefall acht Wochen überschreiten (Fortführung von Senat, Beschluss vom 22.11.2018, a.a.O., juris).
Normenkette
StVollzG §§ 110-111, 119a Abs. 1; StGB § 66c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen III StVK 3/18) |
Tenor
- Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, soweit festgestellt worden ist, dass die dem Betroffenen von der Vollzugsbehörde angebotene Betreuung auch für den Zeitraum vom 30.07. bis zum 07.12.2015 und vom 15.02. bis zum 11.04.2016 den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hat.
- Es wird festgestellt, dass die dem Betroffenen von der Vollzugsbehörde in den unter 1. aufgeführten Zeiträumen angebotene Betreuung den Vorgaben des § 66c Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht entsprochen hat.
- Im Übrigen wird die Beschwerde aus den insoweit zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet verworfen.
- Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen zur Last; jedoch wird die Gerichtsgebühr um 25 % ermäßigt. In diesem Umfang trägt auch die Landeskasse die dem Betroffenen im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen (§ 121 Abs. 4 StVollzG i.V.m. § 473 Abs. 1 und Abs. 4 StPO).
- Der Beschwerdewert wird auf 5.000 € (§§ 60, 52 GKG) festgesetzt.
Gründe
1. Das als "Rechtsbeschwerde" bezeichnete Rechtsmittel des Betroffenen ist als Beschwerde nach § 119a Abs. 5 StVollzG auszulegen und als solche zulässig.
2. Der Senat sieht sich an einer Sachentscheidung nicht dadurch gehindert, dass mit dem Landgericht Essen ein örtlich unzuständiges Gericht entschieden hat. Örtlich zuständig ist in dem Verfahren nach § 119a StVollzG diejenige Strafvollstreckungskammer, in deren Bezirk der Betroffene während des Überprüfungszeitraums inhaftiert war. Sofern er während des Überprüfungszeitraums oder danach verlegt wurde, ist für das Überprüfungsverfahren diejenige Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk sich der Betroffene am Ende des zu überprüfenden Zeitraums befand.
Nach § 119a Abs. 6 S. 3 StVollzG gelten die §§ 110, 111 StVollzG für die vollzugsbegleitende gerichtliche Kontrolle des Behandlungsangebots entsprechend. Nach § 110 StVollzG ist diejenige Strafvollstreckungskammer zur Entscheidung berufen, in deren Sitz die beteiligte Vollzugsbehörde ihren Sitz hat. Beteiligt ist nach § 111 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG die Vollzugsbehörde, die die angefochtene Maßnahme angeordnet oder die beantragte abgelehnt oder unterlassen hat. Da Gegenstand des Verfahrens nach § 119a StVollzG anders als in dem Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG nicht eine Maßnahme im Sinne des § 109 StVollzG ist, sondern ein Behandlungsangebot, ist diejenige Vollzugsbehörde zu beteiligen, die das zu überprüfende Behandlungsangebot gemacht hat. Gerade im ersten Überprüfungszeitraum ist allerdings der hier festzustellende Ablauf, dass der Betroffene sich bei Eintritt der Rechtskraft des Urteils zunächst noch in der Vollzugsanstalt befindet, in der er Untersuchungshaft verbüßt hat, nach einiger Zeit in die Einweisungsanstalt und von dort in die in der Einweisungsentschließung bestimmte Anstalt verlegt wird, nicht selten. Das mit der Sache befasste Gericht hat in solchen Fällen die dem Betroffenen in mehreren Vollzugsanstalten g...