Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenwiderspruch: Anlass für einstweilige Verfügung mit Sequestrationsantrag ohne vorherige Abmahnung
Leitsatz (amtlich)
1. Die vor Einreichung eines Eilantrages im Kosteninteresse des Antragsgegners in der Regel erforderliche Abmahnung ist entbehrlich, wenn neben anderen Ansprüchen mit dem Eilantrag auch ein auf die Sicherung eines Vernichtungsanspruchs gerichteter Sequestrationsantrag gestellt wird (hier: Herausgabe von Schuhen an den Gerichtsvollzieher).
2. Wird die Sequestrationsanordnung erlassen und lediglich Kostenwiderspruch eingelegt, kann die sachliche Berechtigung der Anordnung im Beschwerdeverfahren nicht mehr überprüft werden.
3. Um der Gefahr einer missbräuchlichen Geltendmachung des Sequestrationsanspruchs zu begegnen, kann im Einzelfall eine Prüfung notwendig sein, ob ein schützenswertes Sicherungsinteresse für die Sequestration tatsächlich bestand. Das kann zu verneinen sein, wenn die beantragte Sequestration später nicht vollzogen wird. In solchen Fällen ist zu verlangen, dass der Antragsteller schlüssig darlegt, wieso auf die Sequestration verzichtet wurde (so schon OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 12.8.2013, 11 W 12/13).
Normenkette
ZPO §§ 93, 99 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 19.02.2020; Aktenzeichen 2-6 O 319/19) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar
Die Beschwerde wird auf Kosten der Antragsgegnerinnen zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert entspricht dem Kosteninteresse der Antragsgegnerinnen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Kosten eines einstweiligen Verfügungsverfahrens.
Die Antragstellerin erwirkte gegen die Antragsgegnerinnen mit Beschluss vom 31.7.2019 eine auf ein Designrecht gestützte einstweilige Verfügung, mit der den Antragsgegnerinnen untersagt worden ist, ein bestimmtes Sandalenmodell anzubieten und in den Verkehr zu bringen. Das Landgericht hat den Antragsgenerinnen außerdem aufgegeben, die in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen Exemplare an einen Gerichtsvollzieher herauszugeben. Eine vorherige Abmahnung erfolgte nicht.
Die Antragsgegnerinnen haben mit anwaltlichen Schreiben vom 20.8.2019 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Darin haben sie sich auch verpflichtet, die streitgegenständlichen Schuhe an den Gerichtsvollzieher herauszugeben (Anlage AG2). Mit Schriftsatz vom 6.12.2019 haben sie Kostenwiderspruch eingelegt.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 19.2.2020 die einstweilige Verfügung im Kostenpunkt bestätigt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerinnen.
Die Antragsgegnerinnen beantragen,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19.2.2020 die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen.
II. 1. Die Beschwerde ist zulässig.
Der Widerspruch der Antragsgegnerinnen gegen die Beschlussverfügung des Landgerichts war auf die Kostenentscheidung beschränkt. Bei dem Urteil des Landgerichts, mit dem die Kostenentscheidung der einstweiligen Verfügung bestätigt worden ist, handelt es sich damit der Sache nach um ein Anerkenntnisurteil gemäß § 99 Abs. 2 ZPO, gegen das das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde statthaft ist (st. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom 18.8.1989 - 6 W 92/89 = WRP 1996, 799).
2. In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg.
Das Landgericht hat mit Recht die Voraussetzungen des § 93 ZPO als nicht erfüllt angesehen, weil die Antragstellerin auch ohne vorherige Abmahnung Anlass zur Einreichung des Eilantrages hatten.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Beschluss vom 24.10.2005 - 6 W 149/05 = GRUR 2006, 264 sowie Beschlüsse vom 9.7.2015 - 6 W 59/15, vom 9.11.2005 - 6 W 138/05 - und vom 8.7.2010 - 6 W 92/10; veröffentlicht bei juris) ist die vor Einreichung eines Eilantrages im Kosteninteresse des Antragsgegners in der Regel erforderliche Abmahnung grundsätzlich entbehrlich, wenn neben anderen Ansprüchen mit dem Eilantrag auch ein auf die Sicherung eines Vernichtungsanspruchs gerichteter Sequestrationsantrag (Herausgabe von Verletzungsgegenständen an den Gerichtsvollzieher) gestellt wird; denn eine solche Abmahnung liefe dem Zweck der Sequestrationsanordnung zuwider, da sie dem Antragsgegner Zeit und Gelegenheit gäbe, diejenigen Maßnahmen zur Beiseiteschaffung der Verletzungsgegenstände zu ergreifen, die mit der einstweiligen Verfügung gerade unterbunden werden sollen.
b) Ohne Erfolg berufen sich die Antragsgegnerinnen darauf, der Sequestrationsantrag sei zu Unrecht gestellt worden. Wird die Sequestrationsanordnung erlassen, und wird lediglich Kostenwiderspruch eingelegt, kann die sachliche Berechtigung der Sequestrationsanordnung nicht mehr überprüft werden. Denn die Sequestrationsanordnung ist durch den Kostenwiderspruch nach § 93 ZPO anerkannt worden (vgl. Senat, Beschluss vom 9.7.2015 - 6 W 59/15, Rn. 7; Beschluss vom 24.10.2005 - 6 W 149/05 = GRUR 2006, 264 - Rn. 2). Nichts anderes lässt sich auch der Senatsentscheidung vom 25.1.2010 - 6 W 4/10 entnehmen. Soweit dort von der fehlenden Abmahnob...