Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Direktladung in den offenen Jugendstrafvollzug in Hessen
Leitsatz (amtlich)
Nach der eindeutigen Gesetzeslage scheidet in Hessen eine Direkteinweisung in den offenen Jugendstrafvollzug aus.
Normenkette
HJStVollzG § 13; HStVollzG § 71 Abs. 2; StVollzG § 10
Verfahrensgang
AG Darmstadt (Entscheidung vom 19.03.2012; Aktenzeichen 231 Ls 262 Js 35426/07) |
Tenor
1. Der Antrag des Verurteilten auf gerichtliche Entscheidung gegen die Verfügung des Amtsgerichts Darmstadt vom 19.03.2012 in der Gestalt des Beschwerdebescheides der Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main vom 23.04.2012 wird auf Kosten des Verurteilten verworfen.
2. Der Gegenstandswert wird auf 3.000,-- € festgesetzt.
Gründe
Das Amtsgericht Darmstadt verurteilte den Beschwerdeführer am 18.09.2008 wegen Vergewaltigung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil wurde am Tage seiner Verkündung rechtskräftig. Mit Beschluss vom 07.06.2010 wurde die Bewährungszeit durch das Amtsgericht Darmstadt wegen Nichterfüllung von Auflagen zunächst um ein Jahr verlängert. Mit Beschluss vom 21.10.2010 widerrief das Amtsgericht Darmstadt schließlich wegen neuerlicher Nichterfüllung der Bewährungsauflagen die Strafaussetzung zur Bewährung.
Mit Verfügung vom 19.03.2012 hat das Amtsgericht Darmstadt zum wiederholten Male den Beschwerdeführer zum Strafantritt in den geschlossenen Jugendstrafvollzug geladen. Der Verurteilte erstrebt eine direkte Ladung in den offenen Vollzug. Seine mit diesem Ziel eingelegte Beschwerde hat die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht mit Bescheid vom 23.04.2012 zurückgewiesen. Der hiergegen gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gem. § 23 EGGVG zulässig, in der Sache aber unbegründet.
Die Ladung des Verurteilten zum Strafantritt in den geschlossenen Vollzug erweist sich weder als rechts- noch als ermessensfehlerhaft. Nach § 13 Abs. 1 HessJStVollzG erfolgt im Rahmen des Jugendstrafvollzugs die Unterbringung grundsätzlich im geschlossenen Vollzug.
Eine dem Strafvollzugsrecht für Erwachsene angeglichene Regelung entsprechend dem § 71 Abs. 2 Nr. 2 HessStVollzG dahingehend, dass eine direkte Aufnahme in den offenen Vollzug bei Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren möglich sein soll, ist im hessischen Jugendstrafvollzugsrecht nicht gegeben. § 13 Abs. 2 HessJStVollzG sieht insoweit ausdrücklich vor, dass vollzugsöffnende Maßnahmen, zu denen die Unterbringung im offenen Vollzug gehört, regelmäßig geprüft werden müssen. Zudem sieht § 10 HessJStVollzG vor, dass innerhalb der ersten vier Wochen der Vollstreckung der Jugendstrafe ein Förderplan zu erstellen ist, der sich auch zur Frage vollzugsöffnender Maßnahmen verhalten soll, § 10 Abs. 4 Nr. 8 HessJStVollzG. Die unterschiedliche Beurteilung der Frage der Möglichkeit einer Direktladung in den offenen Vollzug begründet sich dabei aus dem unterschiedlichen Vollzugsansatz zwischen dem Erwachsenenstrafvollzug und dem Jugendstrafvollzug. Dadurch, dass im Jugendstrafvollzug der Erziehungsgedanke wesentliche Bedeutung hat, ist eine zunächst direktere erzieherische Einwirkung im Rahmen des geschlossenen Vollzugs ausschließlich vorgesehen.
Vor diesem Hintergrund ist die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden, da sie der nach dem Gesetzeswortlaut eindeutigen Rechtslage entspricht. Soweit in der angefochtenen Entscheidung Überlegungen dazu angestellt worden sind, dass in verfassungskonformer Auslegung der Rechtsgedanke des § 71 Abs. 2 HessStVollzG in die Entscheidungsfindung einzubeziehen sein könnte, kann dies im Ergebnis für den vorliegend zu beurteilenden Fall überdies dahinstehen. Selbst wenn der Rechtsgedanke des § 71 Abs. 2 StVollzG einzubeziehen wäre, stünde der Annahme eines entsprechenden Ausnahmefalles, der eine unmittelbare Ladung in den offenen Vollzug ermöglichen könnte, entgegen, dass nach § 71 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 13 Abs. 5 Nr. 1 HessStVollzG eine unmittelbare Ladung in den offenen Vollzug und damit die Annahme eines Ausnahmefalles jedenfalls dann ausscheidet, wenn - wie hier - der Vollstreckung eine Straftat im Zusammenhang mit grober Gewalttätigkeit gegen Personen oder die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174 bis 180, 182 StGB zugrunde liegt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 30 Abs. 1 und Abs. 2 EGGVG, § 130 KostO, die des Gegenstandswertes aus § 30 Abs. 3 EGGVG, § 30 KostO.
Fundstellen
Haufe-Index 3404374 |
NStZ-RR 2012, 358 |