Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung zur Einsetzung des für eine rechtsmißbräuchlich geschlossene Ehe erhaltenen Entgelts für die Kosten eines Eheaufhebungsverfahrens
Leitsatz (amtlich)
Eine Partei, die rechtsmissbräuchlich die Ehe geschlossen und hierfür ein Entgelt erhalten hat, trifft grundsätzlich die Pflicht, hiervon Rücklagen zu bilden, um die Kosten eines Eheaufhebungsverfahrens finanzieren zu können (BGH v. 22.6.2005 - XII ZB 247/03, BGHReport 2005, 1380 = MDR 2005, 1230 = FamRZ 2005, 1477.). Hat sie aber keine Gegenleistung erhalten, kann dieser Gesichtspunkt der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht entgegenstehen.
Normenkette
ZPO §§ 114-115
Verfahrensgang
AG Offenbach (Beschluss vom 05.08.2005; Aktenzeichen 311 F 1261/05 E1) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Der Antragstellerin wird für das Eheaufhebungsverfahrens Prozesskostenhilfe bewilligt. Ihr wird RAin X. Y. Z. beigeordnet. Raten sind nicht zu entrichten.
Gründe
Das AG hat mit dem angefochtenen Beschluss der Antragstellerin die Prozesskostenhilfe für das Eheaufhebungsverfahren (§ 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB) verweigert. Sie habe die Prozesskostenhilfebedürftigkeit schuldhaft und mutwillig selbst verursacht, in dem sie mit dem Antragsgegner, einem chinesischen Staatsangehörigen, eine Scheinehe eingegangen sei. Diese habe dazu gedient, dem Antragsgegner ein Bleiberecht in Deutschland zu verschaffen. Aufenthaltserlaubnis, Heirat und Aufhebungsbegehren könnten nicht isoliert betrachtet werden, sondern seien als Gesamtplan zu würdigen. Die Antragstellerin habe schon bei Eingehung der Ehe von deren Mangel gewusst und hätte daher schon dann mit deren späteren Aufhebung oder Scheidung rechnen müssen. Für die Beseitigung der rechtsmissbräuchlichen Benutzung des Rechtsinstituts der Ehe stünden öffentliche Mittel nicht zur Verfügung.
Die Beschwerde hat Erfolg. Der Antragstellerin war Prozesskostenhilfe für den Aufhebungsantrag zu bewilligen. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine ratenfreie Prozesskostenhilfebewilligung sind glaubhaft gemacht.
Anders als in dem von dem BGH mit Beschl. v. 22.6.2005 entschiedenen Fall (BGH v. 22.6.2005 - XII ZB 247/03, BGHReport 2005, 1380 = MDR 2005, 1230 = FamRZ 2005, 1477) ist hier davon auszugehen, dass die Antragstellerin von dem Antragsgegner für die Eheschließung am 29.10.2004 keine finanzielle Zuwendung erhalten hat. Sie hätte - so trägt sie vor - den Antragsgegner aus Mitleid geheiratet, weil Freunde sie dazu überredet hätten. Weil sie sich selbst in einer persönlichen Krise befunden habe, sei sie mit einer Heirat einverstanden gewesen.
Eine Partei, die rechtsmissbräuchlichen die Ehe geschlossen und hierfür ein Entgelt erhalten hat, trifft grundsätzlich die Pflicht, hiervon Rücklagen zu bilden, um die Kosten eines Eheaufhebungsverfahrens finanzieren zu können (BGH v. 22.6.2005 - XII ZB 247/03, BGHReport 2005, 1380 = MDR 2005, 1230 = FamRZ 2005, 1477). Hat sie aber keine Gegenleistung erhalten, kann dieser Gesichtspunkt der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht entgegenstehen.
Nach Meinung der Verfassungsrichter, deren Auffassung die Entscheidung (BVerfG v. 18.7.1984 - 1 BvR 1455/83, MDR 1985, 115 = FamRZ 1984, 1206 [1207]) nicht getragen hat, ist dagegen Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn die erforderlichen wirtschaftlichen Voraussetzungen gegeben sind. Der BGH (BGH v. 22.6.2005 - XII ZB 247/03, BGHReport 2005, 1380 = MDR 2005, 1230 = FamRZ 2005, 1477) neigt dieser Rechtsansicht zu, kann die Frage letztlich aber offen lassen, weil sie für die konkrete Entscheidung (wegen der Gegenleistung für die Heirat) nicht entscheidungserheblich ist. Er führt dazu aus:
"Für diese Betrachtungsweise sprechen auch nach Auffassung des Senats gewichtige Gründe. Wenn die Rechtsordnung die zu ehefremden Zwecken geschlossene Ehe als wirksam ansieht, stellt ein Scheidungsbegehren die einzige Möglichkeit zur Auflösung einer solchen Ehe dar. Bereits das spricht dagegen, das Prozesskostenhilfegesuch als rechtsmissbräuchlichen anzusehen (ebenso: OLG Köln v. 2.12.1982 - 21 WF 196/82, FamRZ 1983, 592 [593]; OLG Celle v. 14.12.1983 - 17 WF 208/83, FamRZ 1984, 279; OLG Karlsruhe v. 28.4.1986 - 2 WF 174/85, FamRZ 1986, 680 [681]; OLG Nürnberg v. 7.2.1995 - 7 WF 361/95, FamRZ 1996, 615; OLG Stuttgart v. 4.2.1997 - 17 WF 40/97, FamRZ 1997, 1410; v. 12.9.2001 - 2 (16) WF 119/01, FamRZ 2002, 890; OLG Naumburg v. 23.9.1999 - 8 WF 260/99, FamRZ 2001, 629; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 114 Rz. 50; Soergel/Heintzmann, BGB, 12. Aufl., § 1564 Rz. 40; Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Aufl., § 1565 Rz. 18; Schoreit/Dehn, Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe, 8. Aufl., § 114 Rz. 16; Staudinger/Rauscher, BGB, Neubearb. 2004, § 1564 Rz. 141). Aus diesen Erwägungen ergeben sich zugleich Bedenken gegen die Beurteilung der beabsichtigten Rechtsverfolgung als mutwillig. Auch eine bemittelte Partei könnte die Auflösung einer Scheinehe nicht auf anderem Weg erreichen."
Der unterzeichnete Richter hält diese Hilfserwägung des B...