Leitsatz (amtlich)

Ob die Verdingungsunterlagen im Angebot abgeändert worden sind, ist durch einen Vergleich des Inhalts des Angebotes mit den Verdingungsunterlagen festzustellen. Erklärungen in einem gesonderten Anschreiben sind dabei aus der Sicht einer verständigen Auftraggeberin in der damaligen Situation auszulegen. Spätere Erklärungen des Bieters lassen grundsätzlich Rückschlüsse auf das bei Angebotsabgabe inhaltlich Gewollte zu.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157; VOB/A § 25 Nr. 1

 

Verfahrensgang

2. Vergabekammer des Landes Hessen (Beschluss vom 30.06.2008; Aktenzeichen 69d VK 26/08)

 

Gründe

I. Unter dem 5.12.2007 veröffentlichte der Antragsgegner im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft die Bekanntmachung der Vergabe der Errichtung des Neubaus "Forensik ..." im Offenen Verfahren, neben anderen einzelnen Gewerken auch die "Dachabdichtungs- und -dämmarbeiten".

Position 1.3.200027 des Leistungsverzeichnisses Dachdeckungsarbeiten (Bl. 323/324 Vergabekammerakte) lautet:

"Zulage zu Entlüftungshauben (DN 100) der Dach- und Dichtungsbahn der oben genannten Position für erhöhte Anforderungen Einlauf F-90 inkl. Hitzeschild sowie sämtlicher notwendiger Formteile. TÜV geprüft.

Angeb. Fabrikat: ... (vom Bieter einzutragen)

Komplette Leistung fix und fertiger Arbeit.

Menge: 10 St ..."

Zum Submissionstermin lagen für die Dachdeckungsarbeiten insgesamt zwölf Angebote vor, darunter das der Antragstellerin vom 28.1.2008 mit einer Bruttoangebotssumme von insgesamt 851.731,55 EUR.

Das Angebot der Antragstellerin zu Pos. 1.3.200027 (Bl. 109 Vergabekammerakte) lautet:

"Zulage zu Entlüftungshauben (DN 100) der Dach- und Dichtungsbahn der oben genannten Position für erhöhte Anforderungen Einlauf F-90 inkl. Hitzeschild sowie sämtlicher notwendiger Formteile. TÜV geprüft.

Angeb. Fabrikat: X; Feuerschott

(vom Bieter einzutragen)

Komplette Leistung fix und fertiger Arbeit.

Menge: 10 St [...,..] [...,..] EUR"

Das Angebot war dem Schreiben der Antragstellerin vom 28.1.2008 (Bl. 68 Vergabekammerakte) beigefügt, in dem es heißt:

"Wir bitten höflichst, unseren folgenden Hinweis zu beachten.

Hinweis

Pos. 1.3.200027

Lüfterhauben F 90

Angeboten und verpreist wurden Lüfterhauben der Firma X, diese sind jedoch nur als Feuerschott F 30 lieferbar. Auch von den anderen Herstellern haben wir keine Hauben mit erhöhter Anforderung F 90 angeboten bekommen."

Mit Schreiben vom 8.5.2008 (Bl. 51 Vergabekammerakte) teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, ihr Angebot werde nach § 25 Nr. 1 VOB/A ausgeschlossen, weil es nicht alle in den Verdingungsunterlagen gestellten Bedingungen erfülle.

Der Bevollmächtigte der Antragstellerin rügte den Ausschluss mit Schreiben vom 14.5.2008 (Bl. 57-59 Vergabekammerakte) und forderte die Vergabestelle auf, mitzuteilen, welche Bedingungen nicht erfüllt worden seien.

Hierauf teilte das für das ausgeschriebene Vorhaben tätige Ingenieurbüro unter dem 15.5.2008 (Bl. 60 Vergabekammerakte) folgende Gründe mit:

"1. In der Position 1.3.20007 wurde gem. Anschreiben das Fabrikat der Fa. X angeboten. Dieses hat gem. Anschreiben nur eine Einstufung von F 30. Gefordert war jedoch in dieser Pos. eine Anforderung von F 90.

2. In der Pos. 1.2.20008 Kehlgefälleausbildung wurde das Fabrikat Y vom Bieter angeboten. Die Dämmung ist nur mit einem Gefalle von 2 % ausführbar. Verlangt wurde jedoch ein Gefälle von mind. 3 % bis 9 %. Weiterhin ist die angebotene Dämmung nicht für eine Kehlgefälleausbildung geeignet. Die Anfangsdicke von 10 mm kann bei dem angebotenen Fabrikat nicht geliefert werden. Der Bieter hat in dieser Pos. das falsche Material angeboten."

Die Antragstellerin rügte mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 15.5.2008 (Bl. 61-65 Vergabekammerakte) erneut ihren Ausschluss und führte aus, die Position "1.3.20007" gebe es nicht, allerdings habe sie bei den Positionen 1.3.200027/1.3.200026 das Fabrikat X angeboten. Die Position 1.3.200027 ("Zulage") sei nur eine Ergänzung zu 1.3.200026, auch diese müsse daher wie die Entlüfterhaube 1.3.200026 von X sein. Der Feuerschott werde jedoch nur mit R 30 (=F 30) hergestellt und angeboten. Das Leistungsverzeichnis sei also in Position 1.3.200027 auf eine unmögliche Leistung gerichtet. Mit dem Hinweis auf diesen Umstand bei Angebotsabgabe habe die Antragstellerin insoweit die Ausschreibungskriterien ausdrücklich gerügt.

Das Produkt für die Kehlgefälleausbildung sei für mindestens 3 % geeignet, im Leistungsverzeichnis sei auch nicht ein Gefalle von 3 % bis 9 % gefordert worden. Dem Schreiben war das Datenblatt der Fa. Y "Gefälledachsystem ... und ... Plus" beigefügt.

Mit Schriftsatz vom 16.5.2008 (Bl. 37-48 Vergabekammerakte) stellte die Antragstellerin unter Vertiefung des Rügevorbringens Nachprüfungsantrag.

Sie hat im Wesentlichen ausgeführt, sie habe sich in jeder Hinsicht an die Leitbeschreibung im Leistungsverzeichnis gehalten und bei Angebotsabgabe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass von der Fa. X ein Feuerschott nur mit F 30-Feuerwiderstand angeboten werde. Das Leistungsverzeichnis sei ...

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