Entscheidungsstichwort (Thema)
Auswirkungen der Missachtung des Richtervorbehalts bei der Entnahme einer Blutprobe
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob und wann die Missachtung des Richtervorbehalts bei der Entnahme einer Blutprobe zur Feststellung der Blutalkoholkonzentration zu einem Beweiserhebung- oder -verwertungsverbot führt.
Normenkette
StPO § 81a Abs. 2
Verfahrensgang
AG Hünfeld (Entscheidung vom 24.06.2009; Aktenzeichen 3 Ds 34 Js 3793/09) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Hünfeld zurückverwiesen.
Gründe
Durch Urteil des Amtsgerichts Hünfeld wurde die Angeklagte am 24.06.2009 wegen eines fahrlässig begangenen Vergehens der Trunkenheit im Straßenverkehr zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10,00 Euro verurteilt. Ihr wurde die Fahrerlaubnis entzogen und der ihr am 30.01.2008 vom Landrat des Landkreises O1 erteilte Führerschein eingezogen. Die Verwaltungsbehörde wurde angewiesen ihr vor Ablauf von 10 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und in gleicher Weise begründete Revision der Angeklagten, mit der sie materielles Recht rügt und mit der Verfahrensrüge geltend macht, die gutachterlichen Feststellungen zur Höhe der Blutalkoholkonzentration hätten nicht verwertet werden dürfen, da der die Blutentnahme anordnende Polizeibeamte gegen den Richtervorbehalt gemäß § 81 a Abs. 2 StPO verstoßen habe.
Die Verfahrensrüge ist - entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main in ihrer Stellungnahme vom 11.09.2009 - zulässig. Hierauf war nicht näher einzugehen, da sie jedenfalls in der Sache unbegründet ist. Ein Beweisverwertungsverbot besteht nicht.
Die Revision führt jedoch mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils.
Die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht führt in ihrer Stellungnahme vom 11.09.2009 zur Unbegründetheit der Verfahrensrüge und zur Sachrüge aus:
"2) Die erhobene Rüge wäre zudem unbegründet.
a) Allerdings bestand ein Beweiserhebungsverbot, denn die Voraussetzungen, unter denen der Polizeibeamte die Entnahme der Blutprobe bei der Angeklagten hätte anordnen dürfen, lagen nicht vor.
Die Anordnung der Blutentnahme darf gemäß § 81 a Abs. 2 StPO nur durch den zuständigen Richter, bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch die mit der Einholung einer richterlichen Entscheidung einhergehende Verzögerung auch durch die Staatsanwaltschaft und - nachrangig - ihrer Ermittlungspersonen erfolgen. Der Richtervorbehalt hat seinen Grund darin, dass es sich bei der Entnahme einer Blutprobe um einen Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz geschützte Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit handelt, auch wenn der Eingriff nach § 81 a Abs. 1 Satz 2 StPO nur durch einen Arzt im Rahmen der Regeln ärztlicher Kunst erfolgen darf. Der Richtervorbehalt - auch der einfachgesetzliche - zielt auf eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme in ihren konkreten gegenwärtigen Voraussetzungen durch eine unabhängige und neutrale Instanz. Die Strafverfolgungsbehörden müssen daher grds. versuchen, eine Anordnung des zuständigen Richters zu erlangen, bevor sie selbst eine Blutentnahme anordnen. Die Gefährdung des Untersuchungserfolges muss mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen und in den Ermittlungsakten zu dokumentieren sind, sofern die Dringlichkeit nicht evident ist. Das Bestehen einer solchen Gefährdung unterliegt der vollständigen, eine Bindung an die von der Exekutive getroffenen Feststellungen und Wertungen ausschließenden gerichtlichen Überprüfung (vgl. BVerfG NJW 2007, 1345, 1346 m.w.N.; OLG Hamburg, Beschluss vom 04.02.2008, NJW 2008, 2597, 2598).
Die formellen Voraussetzungen der Anordnung lagen hier nicht vor. Zwar war ein zureichender Tatverdacht im Hinblick auf eine Trunkenheitsfahrt gegeben. Für die handelnden Polizeibeamten bestand aufgrund des ihnen mitgeteilten Sachverhaltes und dem bei der Angeklagten durchgeführten Atemalkoholtest, der eine Atemalkoholkonzentration von 2,0 Promille (S. 2 UA) ergab, der konkrete Tatverdacht der Trunkenheitsfahrt.
Gefahr im Verzug i.S.v. § 81 a Abs. 2 StPO war vorliegend jedoch nicht gegeben. Die Angeklagte war ausweislich des Ergebnisses des Atemalkoholtests (2,0 Promille) stark alkoholisiert. Bei diesem Ermittlungsbild hätte der Polizeibeamte davon ausgehen müssen, dass der mögliche Abbau der Blutalkoholkonzentration während der Zeitdauer bis zur Erlangung einer richterlichen Entscheidung nicht zum Beweisverlust führen werde.
Dem steht auch nicht entgegen, dass der Atemalkoholtest nach 21.20 Uhr erfolgte. Der Hinweis, eine richterliche Entscheidung sei zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht zu erlangen, kann Gefahr im Verzug nicht begründen, weil dem korrespondierend die verfassungsrechtliche Verpflichtung der Gerichte besteht, die Erreichbarkeit eines Ermittlungsrichters auch durch die Einrichtung eines...