Entscheidungsstichwort (Thema)
Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung: Auslegung des Begriffs des „gewöhnlichen Aufenthalts”
Leitsatz (redaktionell)
Der „gewöhnliche Aufenthalt” i.S.d. HKiEntÜ ist durch eine gewisse Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts sowie das Vorhandensein solcher Beziehungen zur Umwelt gekennzeichnet, die die Annahme einer sozialen Integration der betreffenden Person an ihrem Aufenthaltsort rechtfertigen. Ein rechtsgeschäftlicher oder natürlicher Bleibewille ist nicht erforderlich.
Normenkette
HKiEntÜ Art. 3a; HKiEntÜ Art. 4 S. 1
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Beschluss vom 30.09.2005; Aktenzeichen 35 F 2152/05) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei.
Der Beschwerdeführer trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Beschwerdewert: 5.000 EUR.
Gründe
I. Der Antragsteller (der Vater) und die Antragsgegnerin (die Mutter) haben am 6.9.1994 in Deutschland geheiratet. Sie haben 2 gemeinsame Kinder, nämlich C., geboren am ... 1997, und G., geboren am ... 2002. Die Kinder haben beide die deutsche Staatsangehörigkeit und C. zusätzlich die amerikanische Staatsangehörigkeit. Der Antragsteller ist amerikanischer Staatsangehöriger, die Antragsgegnerin ist deutsche Staatsangehörige. Die Mutter sowie der Stiefvater des Antragstellers und weitere seiner Verwandten leben in Australien. Dort hat auch der Antragsteller während seiner Kindheit 9 Jahre gelebt. Die Kinder sind beide in Deutschland geboren und haben dort ununterbrochen bis zum Zeitpunkt der Ausreise der Familie Ende November 2004 gelebt. Sie wurden von ihrer Mutter als Hauptbetreuungsperson und ihrem Vater versorgt und zuweilen auch von den Großeltern und weiteren Verwandten mütterlicherseits betreut.
Ende 1996/Anfang 1997 beantragten die Parteien ein Visum für Australien. Zu einer Übersiedlung kam es nicht, nachdem die Antragsgegnerin mit C. schwanger wurde, und sich nicht zu einer Übersiedlung nach Australien entschließen konnte.
Im Februar 2004 stellten die Parteien einen Antrag auf Auswanderung nach Australien für die ganze Familie. Am 30.9.2004 erhielten die Parteien sowie die Kinder den Status von ständigen Einwohnern in Australien. Nach ihrem Abflug kam die gesamte Familie am 26.11.2004 in Westaustralien an. Mitgenommen wurde ein Großteil der Kleidung der Kinder. Die von der Familie zuvor bewohnte Wohnung in O1 wurde noch nicht gekündigt. Der überwiegende Teil der Möbel verblieb in der Wohnung, 2 Möbelstücke waren verkauft worden. C., die vor ihrer Abreise die Vorschulklasse besucht hatte, erhielt von dieser lediglich eine Beurlaubung, wurde jedoch noch nicht endgültig abgemeldet.
Nach ihrer Ankunft in Australien wohnten die Parteien mit ihren Kindern bei den Eltern des Antragstellers. C. wurde im Dezember 2004 in einer Schule angemeldet, die sie ab Februar 2005 besuchen sollte. Sylvester 2004 erklärte die Antragsgegnerin dem Antragsteller, dass sie wegen der Regelung der
Wohnungsangelegenheiten und der schulischen Belange von C. mit beiden Kindern nach Deutschland fliegen müsse. Der Antragsteller war hiermit nicht einverstanden, nahm den Pass von C. an sich und verhinderte auf diese Weise, dass das Kind mit nach Deutschland flog. Die Antragsgegnerin flog darauf hin am 1.1.2005 mit G. allein nach Deutschland und kehrte mit dieser am 21.1.2005 nach Australien zurück. Am 2.2.2005 besuchte C. zum ersten Mal die ... Grundschule.
Am 7.2.2005 flog die Antragsgegnerin ohne Wissen des Antragstellers mit beiden Kindern nach Deutschland. Seitdem lebt sie erneut mit den Kindern in der zuvor von den Parteien bewohnten Wohnung in O1.
Der Antragsteller ist der Auffassung, dass die Antragsgegnerin die Kinder widerrechtlich nach Deutschland zurückgebracht und damit eine Kindesentführung i.S.d. Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 (HKÜ) begangen habe. Er ist der Meinung, dass die Kinder am 7.2.2005 vor der Rückkehr nach Deutschland ihren gewöhnlichen Aufenthalt bereits in Australien gehabt hätten. Die Familie sei mit dem Ziel der Auswanderung nach Australien gegangen und habe sich dort ein neues Leben aufbauen wollen. Falls es der Familie in Australien nicht gefallen hätte, hätte man, allerdings frühestens nach 2 Jahren, auch wieder zurückkehren können. Die Parteien hätten bereits Pläne für ein Leben in Australien gemacht, der Antragsteller habe auch bereits ein Gebot für den Erwerb eines Hauses dort abgegeben. Die Antragsgegnerin habe dem Antragsteller ggü. keine Vorbehalte wegen der Auswanderung geäußert. Er sei davon ausgegangen, dass die Wohnungsangelegenheiten geregelt gewesen und C. von der Vorschule abgemeldet worden sei. Die Möbel hätten keinen großen Wert mehr gehabt und hätten deshalb teilweise an Verwandte der Antragsgegnerin gehen sollen. Diese hätten auch die Wohnungsauflösung durchführen sollen. Es sei geplant gewesen, einen Teil der Möbel mit einen Container n...