Leitsatz (amtlich)
Die Aufhebung des Ausschlusses kann vom Verteidiger nicht mehr begehrt werden, wenn das Verteidigungsverhältnis unabhängig von der Ausschließung nicht mehr besteht (hier: Ende der Pflichtverteidigerbestellung durch Rechtskraft der Verurteilung des Angeklagten).
Tenor
Der Antrag von Rechtsanwalt X, die Ausschließung als Verteidiger des in dem Verfahren 2 Js 6367/07 Staatsanwaltschaft Marburg aufzuheben, wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Rechtsanwalt X ist in dem gegen den Verurteilten ... geführten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Marburg, Aktenzeichen 2 Js 6367/07, von dem Verurteilten mit der Verteidigung beauftragt worden, nachdem dieser am 10.10.2007 vorläufig festgenommen und aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Biedenkopf vom 11.10.2007 in Untersuchungshaft verbracht worden war.
Nach Anhörung des Verurteilten ... wurde Rechtsanwalt X durch Beschluss des Amtsgerichts Marburg vom 31.10.2007 zu dessen Pflichtverteidiger bestellt.
Am 14.12.2007 erhob die Staatsanwaltschaft Marburg unter dem Aktenzeichen 4 Js 14684/07 Anklage gegen Rechtsanwalt X wegen des Verdachts der Begünstigung und der unbefugten Nachrichtenübermittlung im Zusammenhang mit dem gegen den Verurteilten ... geführten Verfahren. Über die Zulassung der Anklage ist bislang nicht entschieden.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat auf Antrag der Staatsanwaltschaft mit Beschluss vom 16.08.2008 (3 Ws 240/08) Rechtsanwalt X als Verteidiger des Verurteilten ... in dem Verfahren 2 Js 6367/07 StA Marburg ausgeschlossen, weil er hinreichend verdächtig war, eine Handlung begangen zu haben, die im Fall der Verurteilung von ... eine Begünstigung wäre (§ 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO).
Der Bundesgerichtshof hat die dagegen eingelegten sofortigen Beschwerden des Verurteilten ... und des Rechtsanwaltes X mit Beschluss 22.10.2008 verworfen.
Mit Urteil des Landgerichts Marburg vom 27.03.2009, rechtskräftig seit demselben Tag, in diesem Verfahren (2 Js 6367/07 StA Marburg) wurde der Verurteilte ... wegen Betruges in Tateinheit mit Verstoß gegen das Berufsverbot in 65 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren 6 Monaten verurteilt, die er derzeit verbüßt.
Mit Antrag vom 25.10.2010 begehrt Rechtsanwalt X die Aufhebung der Ausschließung.
II. Der Antrag ist unzulässig.
Rechtsanwalt X ist nicht antragsbefugt. Denn er ist nicht (mehr) Beteiligter im Verfahren über die Aufhebung der Ausschließung. Die Antragsbefugnis ist durch den rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gegen den Verurteilten ... entfallen. Denn Rechtsanwalt X ist - unabhängig von der Ausschließung - nicht mehr Verteidiger des Verurteilten ....
Rechtsanwalt X war dem Verurteilten ... als Pflichtverteidiger beigeordnet worden, nachdem der Verurteilte ihn auf entsprechende Nachfrage des Gerichts benannte. Mit Rechtskraft des Urteils gegen den Verurteilten ... ist das Pflichtverteidigermandat beendet (vgl. Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Aufl., § 141 Rdnr. 10 m.w.N.). Zwar wird teilweise die Fortdauer der Pflichtverteidigerbestellung für verschiedene Nachtragsentscheidungen angenommen (z.B. Entscheidungen nach § 460 StPO: OLG Köln, Beschluss vom 22.03.2010 - 2 Ws 168/10; Adhäsionsverfahren: OLG Hamm StraFo 2001,361; a.A. OLG München StV 2004, 38; vgl. hierzu auch die Nachweise bei: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 141 Rdnr. 28). Ob dem beizutreten ist, kann jedoch dahinstehen, da hier derartige Entscheidungen nicht im Raum stehen.
Das ursprüngliche Wahlverteidigermandat war bereits durch die Bestellung zum Pflichtverteidiger beendet, denn der Antrag des Verurteilten ..., Rechtsanwalt X zum Pflichtverteidiger zu bestellen, enthielt zugleich die Erklärung, die Wahlverteidigung solle mit der Beiordnung enden (vgl. BGH NStZ 1991, 94).
Eine neue Mandatierung von Rechtsanwalt X als Wahlverteidiger durch den Verurteilten ... oder eine (erneute) Pflichtverteidigerbestellung für das Vollstreckungsverfahren sind nicht ersichtlich. Eine neue Vollmacht des Verurteilten ... hat Rechtsanwalt X nicht zur Akte gereicht. Auch im Übrigen ist aus der Akte keine erneute Bevollmächtigung ersichtlich. Der Aufhebungsantrag selbst spricht schließlich gegen eine neue Mandatserteilung. Denn der Antrag wird nicht "namens" oder "in Auftrag" des Verurteilten ... gestellt. Vielmehr stellt er die weiteren Anträge (Akteneinsicht und Revisionseinlegung) ausdrücklich als "Pflichtverteidiger".
Mangels Verteidigerstellung von Rechtsanwalt X besteht kein Bedürfnis, die Ausschließung aufzuheben.
Aus der Regelung des § 138c Abs. 5 StPO folgt nichts anderes. Nach dieser Vorschrift bleibt eine Entscheidung über die Ausschließung möglich, obwohl der Verteidiger von der Mitwirkung in dem Verfahren (z.B. durch Niederlegung des Mandats) ausgeschieden ist. Daraus folgt nicht, dass es umgekehrt auch im Aufhebungsverfahren - das im Übrigen in § 138c StPO nicht geregelt ist - die Möglichkeit geben muss, eine Entscheidung über die Aufhebung der Ausschließung eines nicht mehr am Anlassverfahren beteiligten Verteidigers herbeizuf...