Entscheidungsstichwort (Thema)

Erhöhung des Ordnungsgeldes bei mehrfachen Verstößen gegen Pflicht zu Herausgabe des Kindes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wenn ein Elternteil mehrmals nacheinander das Kind nicht herausgibt, ist in der Regel nur ein Ordnungsmittel festzusetzen. Mehrfache Verstöße rechtfertigen eine Erhöhung des einmalig festzusetzenden Ordnungsgeldes.

2. Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit bemisst sich im Vollstreckungsverfahren im Ergebnis nach dem vollen Wert des Erkenntnisverfahrens. Soweit sich gemäß § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG der Wert der anwaltlichen Tätigkeit im erstinstanzlichen Verfahren nach dem Wert richtet, den die zu erwirkende Handlung, Duldung oder Unterlassung für den Gläubiger hat, ist damit der volle Wert des Erkenntnisverfahrens gemeint.

 

Normenkette

RVG § 18 Abs. 1 Nr. 14, § 25 Abs. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

AG Kassel (Beschluss vom 29.12.2023; Aktenzeichen 521 F 2021/20 OV1)

 

Tenor

Die Beschwerde der Kindesmutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kassel vom 29. Dezember 2023 wird zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Das Beschwerdeverfahren betrifft die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit in einem Vollstreckungsverfahren zum Umgang.

Am 23.07.2020 regte der Kindesvater die familiengerichtliche Regelung des Umgangs zwischen ihm und seinem am XX.XX.2017 geborenen Sohn X an. In einem Erörterungstermin vom 17.09.2020 schlossen die Kindeseltern einen Vergleich, wonach der Kindesvater in den geraden Kalenderwochen von Donnerstag bis Montag und in den ungeraden Kalenderwochen von Donnerstag bis Freitag zum Umgang mit X berechtigt ist. Der Vergleich wurde durch Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kassel vom 23.10.2020 (Az.: 521 F 2021/20 UG) familiengerichtlich gebilligt.

Mit Schriftsatz vom 20.07.2022 regte die Kindesmutter an, gegen den Kindesvater "wegen Zuwiderhandlung gegen die Umgangsvereinbarung vom 17.09.2020, Amtsgericht Familiengericht Kassel, 521 F 2021/20 UG einer jeden Woche betreffend den Donnerstag einer jeden Woche ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Ordnungsgeld, mindestens jedoch 250 EUR, ersatzweise Ordnungshaft anzuordnen". Der Kindesvater habe mitgeteilt, dass er die Umgänge an Donnerstagen arbeitsbedingt nicht mehr wahrnehmen könne. Bereits in der Vergangenheit habe der Kindesvater mehrfach die ihm zustehenden Umgangstermine einfach nicht wahrgenommen. Der Kindesvater trat der Festsetzung von Ordnungsmitteln entgegen, man habe sich außergerichtlich auf eine vom Vergleich abweichende Regelung des Umgangs geeinigt. Die "Fortsetzung" des Verfahrens sei daher nicht nachvollziehbar. Soweit er Umgänge teilweise nicht wahrgenommen habe, sei dies jeweils auf berufliche Verpflichtungen zurückzuführen gewesen. Ein Hinweis des Amtsgerichts an die Mutter, dass konkreter vorzutragen sei, welche Umgangstermine der Vater entgegen der gerichtlichen Vereinbarung nicht wahrgenommen habe, blieb unbeantwortet. Mit Beschluss vom 17.10.2022 wies das Amtsgericht sodann den Ordnungsmittelantrag der Kindesmutter zurück und verpflichtete sie, die Kosten des Vollstreckungsverfahrens zu tragen.

Mit Schriftsatz vom 07.03.2023 beantragte die Verfahrensbevollmächtigte des Kindesvaters, den Wert der anwaltlichen Tätigkeit auf 4.000 EUR festzusetzen.

Mit Beschluss vom 29.12.2023 hat das Amtsgericht den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit antragsgemäß auf 4.000 EUR festgesetzt und die Beschwerde zugelassen. In Rechtsprechung und Schrifttum sei umstritten, wie der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit bei der Vollstreckung einer Umgangsregelung zu bestimmen sei. Teilweise werde auf den vollen Wert des zugrundeliegenden Erkenntnisverfahrens, teilweise auf einen Bruchteil des Wertes des Erkenntnisverfahrens abgestellt. Richtig sei die Auffassung, die den vollen Wert des Erkenntnisverfahrens ansetze. Zwar sei nur ein punktueller Verstoß gegen die Umgangsregelung Gegenstand des Vollstreckungsverfahrens. Hierin erschöpfe sich die Vollstreckung aber nicht. Vielmehr verfolge die Verhängung von Ordnungsmitteln zugleich den präventiven Zweck, zukünftige Verstöße gegen die Umgangsregelung zu verhindern. Dies rechtfertige es, den vollen Wert des Erkenntnisverfahrens auch für das Vollstreckungsverfahren anzusetzen. Der Beschluss wurde dem Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter am 03.01.2024 zugestellt.

Hiergegen richtet sich die, ausdrücklich im Namen der Kindesmutter eingelegte, Beschwerde, die am 17.01.2024 bei dem Amtsgericht eingegangen ist. Die Beschwerdeführerin begehrt, unter Verweis auf einzelne Gerichtsentscheidungen, die Herabsetzung des Werts auf 500 EUR.

Mit Beschluss vom 30.01.2024 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und den Vorgang dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Der nach § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG grundsätzlich zur Entscheidung berufene Einzelrichter des Senats hat das Verfahren gemäß § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG dem...

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