Leitsatz (amtlich)
Macht ein Antragsteller in einer einzigen Antragsschrift eine Vielzahl unterschiedliche, verschiedene Werke betreffende Rechtsverletzungen geltend, handelt es sich gebührenrechtlich um mehrere Anträge, die jeweils eine gesonderte Gebühr nach § 128c KostO auslegen.
Normenkette
KostO § 128c; UrhG § 101 Abs. 9
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-6 O 530/08) |
Gründe
I. Die Antragstellerin wendet sich gegen den Kostenansatz für einen Antrag auf Gestattung der Erteilung von Auskünften über die Inhaber von insgesamt 199 IP Adressen.
Die Antragstellerin hatte beim LG Frankfurt/M. erfolglos beantragt, der Beteiligten zu gestatten, unter Verwendung von Verkehrsdaten Auskunft darüber zu erteilen, welche Personen zu näher genannten, unterschiedlichen Zeitpunkten 199 näher bezeichnete IP-Adressen verwendet haben, über die insgesamt 55 näher bezeichnete Werke zum download angeboten wurden.
Mit Rechnung vom 8.10.2008 wurde gem. § 128c Nr. 4 KostO eine Gebühr von 39.800 EUR angesetzt. Mit ihrer erfolglos gebliebenen Erinnerung, zu der der Vertreter der Landeskasse mit Schriftsatz vom 3.2.2009 Stellung genommen hatte, und ihrer daraufhin eingelegten Beschwerde begehrt die Antragstellerin eine Reduzierung der Gebühr auf 200 EUR.
Der zunächst zuständige Einzelrichter hat das Verfahren mit Beschluss vom 14.4.2009 gem. § 14 Abs. 7 Satz 2 KostO auf den Senat übertragen.
II. Die Beschwerde ist gem. § 14 Abs. 3 KostO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch nur teilweise begründet.
Gemäß § 128c Nr. 4 KostO, der am 1.9.2008 in Kraft getreten ist, wird für die Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG eine Gebühr von 200 EUR erhoben.
Dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich nicht eindeutig entnehmen, was als "Antrag" zu verstehen ist. Er lässt sowohl eine Anknüpfung an formale als auch an inhaltliche Kriterien zu.
Nach den Gesetzesmaterialien trägt die in § 128c KostO vorgesehene Gebühr dem tatsächlichen Aufwand des Gerichts sowie der Bedeutung der abzuwägenden Gesichtspunkte Rechnung. Das Gericht hat nach der Vorstellung des Gesetzgebers im Rahmen der Entscheidung abzuwägen, ob der Antragsteller Inhaber eines geistigen Schutzrechts ist, ob eine Verletzung dieses Rechts angenommen werden kann und ob die Schwere der Rechtsverletzung den Grundrechtseingriff rechtfertigt (BT-Drucks. 16/5048, 36).
Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zu dem Gesetzesentwurf kritisiert, dass bei den Staatsanwaltschaften Anzeigen mit einer fünfstelligen Zahl von IP-Adressen vorlägen und eine Gebühr von 200 EUR pro Antrag eine Rechtsverfolgung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten als sinnlos erscheinen lassen könnte, weil sie für den Auskunftsersuchenden kaum mehr finanzierbar wäre, wenn er pro IP-Adresse mit 200 EUR Gebühren belegt würde (BT-Drucks. 16/5048, 56).
Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung erneut darauf hingewiesen, dass sich die vorgesehene Gebühr von 200 EUR am gerichtlichen Aufwand orientiere und dass sie im späteren Verfahren ggü. dem Rechtsverletzer als Schadensersatz geltend gemacht werden könne (BT-Drucks. 16/5048, 63).
Im Schrifttum wird mit Hinweis auf BT-Drucks. 16/5048, 56 vertreten, die Gebühr nach § 128c Abs. 1 Nr. 4 KostO falle für jede einzelne IP-Adresse an (so Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 101 Rz. 39; im Ergebnis ohne nähere Begründung ebenso LG Köln, Beschl. v. 2.9.2008 - 28 AR 4/08, MMR 2008, 761). Auch der Senat hatte sich in einem obiter-dictum ursprünglich diese Auffassung angeschlossen (Beschl. v. 27.11.2008 - 11 W 37/08).
Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich jedoch nicht eindeutig, dass der Gesetzgeber wollte, die Gebühr nach § 128c Abs. 1 Nr. 4 KostO solle für jede einzelne IP-Adresse anfallen. Mit ausreichender Klarheit geht aus den Materialien nur hervor, dass der gerichtliche Aufwand für die Gebührenbemessung maßgebend sein sollte.
Daraus folgt zunächst, dass in Fällen, in denen der Antragsteller inhaltlich selbständige Anträge in einer formal einheitlichen Antragsschrift zusammengefasst hat, nicht bloß eine Gebühr von 200 EUR entsteht. Denn der Aufwand für die Bearbeitung steigt, je mehr unterschiedliche Sachverhalte das Gericht zu beurteilen hat. Der Intention des Gesetzgebers, die Gebühr einerseits zu pauschalieren, andererseits aber am entstehenden Aufwand auszurichten, entspricht es vor diesem Hintergrund am besten, wenn auch im Falle der Zusammenfassung mehrerer inhaltlich unterschiedlicher Anträge für jeden Antrag eine gesonderte Gebühr anfällt (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.1.2009 - 6 W 4/09, WRP 2009, 335).
Unterscheidet sich der zur Begründung vorgetragene Lebenssachverhalt für einzelne Teile des Auskunftsbegehrens in einem wesentlichen Punkt, handelt es sich gebührenrechtlich um mehrere Anträge, die jeweils eine gesonderte Gebühr nach § 128c KostO auslösen (ebenso OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.1.2009 - 6 W 4/09, WRP 2009, 335).
Mehrere Anträge kommen danach in Betracht, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dem ...