Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadenersatz des Kindes gegen sorgeberechtigten Elternteil wegen Vereitelung einer Erwerbsaussicht
Leitsatz (amtlich)
Wird von dem sorgeberechtigten Elternteil eine konkrete Erwerbsaussicht des Kindes vorsätzlich vereitelt, indem er Vermögen eines Dritten, das nach dessen Willen zu einem späteren Zeitpunkt dem Kind zufließen soll, seinem eigenen Vermögen zuführt, dann hat das Kind gegen diesen Elternteil einen Schadensersatzanspruch nach § 1664 BGB in Höhe der entgangenen Zuwendung.
Normenkette
BGB § 1664
Verfahrensgang
AG Gießen (Beschluss vom 16.12.2014; Aktenzeichen 245 F 1967/13) |
BGH (Aktenzeichen XII ZB 242/16) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den am 16.12.2014 verkündeten Beschluss des AG - Familiengericht - Gießen wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 58.452,52 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Antragstellerin ist die 198X geborene Tochter der Antragsgegnerin. Sie verlangt von ihrer Mutter Schadensersatz, weil diese am 06.07.2004 zwei Sparbücher, die auf den Namen der Antragstellerin lauteten, aufgelöst hat und den Gesamtbetrag in Höhe von 58.452,52 EUR auf ein eigenes Konto transferierte.
Beide Sparkonten waren von der Großmutter der Antragstellerin - Frau O. - eingerichtet worden, von der auch die Geldmittel auf diesen Konten stammten. Das Sparkonto Nr ... 1 lautete von vornherein auf den Namen der Antragstellerin. Das andere Sparkonto mit der Nr ... 2 lautete zunächst auf den Namen der Antragsgegnerin. Die Großmutter ließ das Sparbuch jedoch im Jahr 1999 auf den Namen der Antragstellerin umschreiben. Die beiden Sparbücher befanden sich bis Ende 2003/Anfang 2004 durchgängig im Besitz der Großmutter.
Die Großmutter litt an einer vaskulären Demenz, die sich mit den Jahren verschlimmerte und spätestens im Jahr 2003 dazu führte, dass sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln konnte, weshalb für sie vom AG F unter Geschäftsnummer 10 eine Betreuung eingerichtet und Rechtsanwältin A. aus ... zur Betreuerin bestellt wurde (10 AG Gießen).
Die Großmutter hatte noch weitere Sparkonten eröffnet und unter anderem auch drei Sparbücher eingerichtet, die auf den Namen der Antragsgegnerin lauteten. Die Antragsgegnerin erwirkte von der Betreuerin die Herausgabe der drei auf ihren Namen lautenden Sparbücher und führte deshalb erfolgreich einen Herausgabeprozess beim LG F (Gesch.-Nr. 11), der mit einem Anerkenntnisurteil vom 6.11.2003 endete, woraufhin die Betreuerin die drei auf den Namen der Antragsgegnerin lautenden Sparbücher an diese herausgegeben hat.
Ende 2003 verlangte die Antragsgegnerin über ihren damaligen Verfahrensbevollmächtigten von der Betreuerin auch die Herausgabe der beiden Sparbücher, die auf den Namen der Antragstellerin lauteten, und begründete dies mit dem Hinweis auf ihr alleiniges Sorgerecht für die damals noch minderjährige Tochter. Die Betreuerin hat die beiden Sparbücher daraufhin der Antragsgegnerin ausgehändigt, nachdem sie sich zuvor beim Jugendamt ... über die Sorgerechtslage vergewissert hatte.
Am 6.7.2004 löste die Antragsgegnerin die beiden Sparkonten bei der Sparkasse B. auf und transferierte den jeweiligen Kontostand auf ein eigenes Konto bei einer anderen Bank.
Am 5.12.2005 verstarb die Großmutter O., deren Alleinerbin die Antragsgegnerin wurde.
Die Antragstellerin hatte erst im Jahr 2013 von der (früheren) Existenz der Sparbücher erfahren und sich daraufhin bei der Sparkasse B. über die Sparkonten erkundigt. Dort wurde ihr mitgeteilt, dass die Sparkonten von der Antragsgegnerin am 6.7.2004 aufgelöst wurden.
Zum Zeitpunkt der Auflösung der Sparkonten lebte die Antragstellerin nicht mehr im Haushalt der Antragsgegnerin. Sie war im Rahmen einer stationären Jugendhilfemaßnahme in der Jugendhilfeeinrichtung D. untergebracht.
Die Antragstellerin hatte erstinstanzlich beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, an sie 58.425,52 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 11.09.2013 zu zahlen sowie ihr vorgerichtliche Kosten in Höhe von 1.761,09 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.10.2013 zu erstatten.
Die Antragsgegnerin hatte beantragt, den Antrag der Antragstellerin zurück zu weisen.
Das AG hat mit dem angefochtenen Beschluss dem Antrag der Antragstellerin in vollem Umfang stattgegeben.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Antragsgegnerin der Antragstellerin gem. § 1664 Abs. 1, 826 Abs. 1 BGB zur Erstattung der damaligen Kontostände von 47.606,78 EUR und von 10.818,74 EUR verpflichtet sei. Zwar sei nicht die Antragstellerin, sondern die Großmutter Inhaberin der auf den Sparbüchern verbrieften Forderungen gewesen, denn das Sparvermögen habe der Antragstellerin erst mit dem Tode der Großmutter zufließen sollen. Indem die Antragsgegnerin die Sparkonten auflöste, habe sie diese Erwerbsaussicht der minderjährigen Tochter vereitelt...