Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen einer nachträglichen Herabsetzung bzw. Befristung eines in einem vor dem 12.4.2006 geschlossenen Prozessvergleich titulierten Anspruchs auf nachehelichen Aufstockungsunterhalt.
Normenkette
BGB §§ 1573, 1578b, 313; FamFG § 239; EGZPO § 36 Nr. 1
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Beschluss vom 10.03.2011) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren festgesetzt auf 4.800 EUR.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über die Abänderung eines gerichtlichen Vergleichs über die Zahlung nachehelichen Ehegattenunterhalts.
Aus ihrer am 25.4.1986 geschlossenen und am 15.6.2005 geschiedenen Ehe ist der am 24.11.1986 geborene Sohn S. hervorgegangen, bei dem ab 1990 Verhaltensauffälligkeiten und ab 1991 eine psychomotorische Epilepsie mit bis zu 50 Anfällen pro Tag und einer später diagnostizierten Persönlichkeitsstörung auftrat. Das Kind bedurfte ständiger Aufsicht; in der Folgezeit kam es immer wieder zu stationären Klinikaufenthalten des Kindes, während derer das Kind von der Antragsgegnerin betreut wurde. Die Antragsgegnerin gab ihre bis dahin ausgeübte Teilzeitbeschäftigung in ihrem erlernten Beruf als Frisörin auf und widmete sich der Betreuung des behinderten Kindes; der Antragsgegner stellte den Lebensunterhalt der Familie durch seine Tätigkeit als Polizeibeamter und durch Nebenbeschäftigungen sicher. Im Frühjahr 1993 begab sich die Antragsgegnerin gemeinsam mit dem Kind wegen einer depressiven Neurose und rezidivierender Spannungskopfschmerzen in eine knadreimonatige stationäre Behandlung in der Paracelsus Wittekindsklinik in B. E.. Auf den Entlassungsbericht vom 4.8.1993, Bl. 288 ff., wird Bezug genommen. Die psychischen Probleme der Antragsgegnerin gingen einher mit zunehmenden körperlichen Beschwerden, deretwegen sich die Antragsgegnerin mehrerer stationärer Behandlungen unterziehen musste. Vom 20.12.1993 bis zum 28.6.1994 wurde S. schließlich stationär im Epilepsiezentrum in K. behandelt. Anschließend wurde er tagsüber in einer Tagesgru des V.-Hauses in H. betreut. Ab 1995 ging die Antragsgegnerin gelegentlichen Aushilfstätigkeiten nach. Im Anschluss an einen fast halbjährigen vollstationären Klinikaufenthalt in F. wurde S. im Oktober 1996 in einer Wochengru in I. untergebracht. Er verbrachte fortan nur noch die Wochenenden und die Ferien sowie wiederholt vorkommende Krankheitstage im Haushalt seiner Eltern. Das Abholen und Bringen aus bzw. nach I. übernahm regelmäßig der Antragsteller, während die Betreuung des Kindes im elterlichen Haushalt weitestgehend der Antragsgegnerin oblag. Diese nahm 2000/2001 an einer Weiterbildungsmaßnahme im Berufsbildungszentrum F. teil, in welcher ihr Grundkenntnisse der elektronischen Datenverarbeitung und des Kaufmannswesens vermittelt wurden. Von Juni 2001 bis zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses im Dezember 2006 arbeitete sie im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung im Kundenservice der Firma E. in W..
Ab der Trennung der Beteiligten am 15.1.2003 holte der Antragsteller S. jedes zweite Wochenende zu sich in den Haushalt. Obwohl sich seine Dienststelle weiterhin in Flörsheim befand, zog der Antragsteller nach der Trennung nach Tauberbischofsheim. Die Betreuung des Kindes an den übrigen Wochenenden, in den Ferien und während der Klinikaufenthalte leistete weiterhin hauptsächlich die Antragsgegnerin. S. zog im September 2004 in ein betreutes Wohnen in Bielefeld. Wochenend- oder Ferienbesuche bei seinen Eltern fanden seitdem nur noch gelegentlich statt. Von November 2006 bis Juni 2009 lebte S. in einer Einrichtung am Wohnort des Antragstellers in T.. Während dieser Zeit war der Antragsteller ihm zunächst zum gesetzlichen Betreuer bestellt worden, gab dieses Amt allerdings später wegen zunehmender gesundheitlicher Einschränkungen, deretwegen er nur noch im Innendienst eingesetzt wird, an einen vom Gericht ausgewählten Betreuer ab. Seit 2009 lebt S. in wechselnden Einrichtungen, zuletzt in einer Einrichtung in D..
Im Rahmen des Scheidungsverfahrens schlossen die Beteiligten am 15.6.2005 einen dahingehenden gerichtlichen Vergleich, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung monatlichen nachehelichen Ehegattenunterhalt von 800 EUR schuldet. Es wurde vereinbart, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin zwecks Begleichung seiner Unterhaltsschuld 200 EUR in bar zahlt und die verbleibenden 600 EUR als Naturalunterhalt durch Überlassung der in seinem Eigentum stehenden vormaligen Ehewohnung leistet. Die Beteiligten gingen dabei nach übereinstimmenden Angaben davon aus, dass die zum damaligen Zeitpunkt halbschichtig beschäftigte Antragsgegnerin eine Obliegenheit zur Ausübung einer Vollzeittätigkeit trifft und rechneten ihr bei der Firma Eismann erzieltes Gehalt auf eine Vollzeitbeschäftigung um. Unter Ziff. 5 des Vergleichs vereinbarten die Beteiligten, dass beide Ehegatten ab dem 1.7.2007 eine Abänderung des...