Entscheidungsstichwort (Thema)
Überprüfung von Ermessensentscheidung nach § 243 FamFG durch Beschwerdegericht
Leitsatz (amtlich)
Die vom Amtsgericht getroffene Ermessensentscheidung zu den Kosten eines Verfahrens nach § 243 FamFG unterliegt im Falle einer (sofortigen) Beschwerde der vollen Überprüfung durch das Beschwerdegericht. Das Beschwerdegericht ist nicht darauf beschränkt, die Entscheidung auf Ermessensfehler hin zu überprüfen, sondern stellt eigenständig Ermessensabwägungen an.
Normenkette
FamFG § 243; ZPO § 91a
Verfahrensgang
AG Melsungen (Beschluss vom 11.03.2020; Aktenzeichen 52 F 1043/20 UK) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 7.4.2021 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Melsungen vom 11.3.2020 dahingehend abgeändert, dass die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens gegeneinander aufgehoben werden.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.
Der Beschwerdewert wird auf bis 500 EUR festgesetzt.
Der Verfahrenswert für das erstinstanzliche Verfahren wird in Abänderung des Beschlusses vom 3.2.2021 auf 2.430 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Mit am 13.12.2019 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz beantragte der Antragsteller den Antragsgegner im vereinfachten Unterhaltsverfahren zu verpflichten, rückständigen Unterhalt für die Zeit vom 1.10.2019 bis 31.12.2019 und laufenden Unterhalt ab dem 1.1.2020 in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersgruppe abzüglich des für ein erstes Kind zu zahlenden Kindergeldes zu zahlen. Der Antragsteller leistete seit Oktober 2019 Unterhaltsvorschuss für den Sohn des Antragsgegners A, geboren am XX.XX.2017, der im Haushalt der Kindesmutter lebt, die auch das staatliche Kindergeld bezieht.
Vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens hatte der Antragsteller, dem von der vorher zuständigen Unterhaltsvorschusskasse des Landkreises Stadt1 im Zuge der Fallübernahme übermittelt worden war, dass der Antragsgegner am 27.8.2018 mitgeteilt hatte, dass er sein Studium voraussichtlich zum 30.9.2019 beenden werde, am 6.5.2019 um eine aktuelle Sachstandsmitteilung hinsichtlich der geplanten Beendigung des Studiums gebeten. Hierauf reagierte der Antragsgegner nicht, so dass der Antragsteller den Antragsgegner mit Schreiben vom 5.11.2020 aufforderte, seine aktuellen Vermögensverhältnisse mitzuteilen. Auch zu diesem Schreiben gab der Antragsgegner keine Erklärung ab.
Im gerichtlichen Verfahren wandte sich der Antragsgegner zunächst ohne weitere Begründung gegen die vereinfachte Unterhaltsfestsetzung und legte dann auf Aufforderung Einkommensnachweise vor, aus denen sich ergab, dass er monatlich lediglich über ein Nettoeinkommen von 1.022 EUR verfügte. Der Antragsteller beantragte daraufhin die Durchführung des streitigen Verfahrens und wiederholte dort den Antrag aus der Antragsschrift. Der Antragsteller vertrat die Auffassung, dem Antragsgegner seien fiktive Einkünfte zuzurechnen, die es ihm ermöglichten, den geltend gemachten Unterhaltsanspruch zu erfüllen. Der Antragsgegner absolviere zwar ein Studium, habe jedoch gegen seine gegenüber einem minderjährigen Kind bestehende Erwerbsobliegenheit verstoßen. Der Antragsgegner habe die Regelstudienzeit des Bachelorstudiengangs in den von ihm gewählten Fächern Psychologie von 6 Semestern bzw. 7 Semestern hinsichtlich des Studiengangs Wirtschaftsrecht erheblich überschritten, denn er befinde sich im Sommersemester 2019 im bezüglich des Studienganges Psychologie 13. bzw. bezüglich des Studienganges Wirtschaftsrecht 14. Fachsemester. Eine planvolle, zielstrebige Absolvierung der Erstausbildung, wie sie die Rechtsprechung fordere, könne nicht angenommen werden. Spätestens im April 2016 hätte der Antragsgegner sein Studium abgeschlossen haben müssen, so dass ihm nunmehr für die Zeit ab Oktober 2019 fiktive Einkünfte zuzurechnen seien.
Der Antragsgegner trat dem Unterhaltsantrag des Antragstellers entgegen. Er vertrat die Auffassung, dass ihm keine fiktiven Einkünfte zuzurechnen seien, da er die ihm obliegende gesteigerte Erwerbsobliegenheit nicht verletzt habe. Die eingetretene Ausbildungsverzögerung sei nicht vorwerfbar. Zum einen habe er bereits zu Studienbeginn vor der Geburt seines Sohnes einen Studienfachwechsel vollzogen, so dass er sich im Sommersemester 2019 nicht im 14., sondern vielmehr tatsächlich erst im 12. Fachsemester Psychologie und Wirtschaftsrecht befunden habe. Darüber hinaus habe er vor der Geburt seines Sohnes wegen eines Bandscheibenleidens sein Studium für die Dauer eines Semesters unterbrechen müssen. Schließlich habe er sich in der Zeit nach der Geburt seines Sohnes von April 2017 bis März 2018 im Einvernehmen mit der Kindesmutter der Pflege und Erziehung des Kindes gewidmet. Auch die Verzögerung der Studiendauer für zwei weitere Semester sei dem Antragsgegner daher nicht vorwerfbar. Unter Berücksichtigung dieser Zeiträume studiere er tatsächlich erst im 9. Fachsemester. Neben seinem Studium habe er im Übrigen seinen eigenen Lebensunterhalt durch ...