Leitsatz (amtlich)
Das an die Pflegeperson i. S. d. § 19 SGB XI weitergeleitete Pflegegeld nach § 37 SGB XI ist bei dieser im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe kein Einkommen.
Tenor
In Abänderung des angefochtenen Beschlusses wird der Antragstellerin ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt ... als Verfahrensbevollmächtigter beigeordnet.
Gründe
I. Das Amtsgericht Frankfurt hat mit Beschluss vom 22.03.2019 der Antragstellerin unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Ratenzahlung in Höhe von monatlich 347 EUR angeordnet. Wegen der Berechnung der Ratenhöhe wird auf die Beschlussgründe Bl. 16, 17 VKH-Heft Bezug genommen.
Gegen diese ihr am 01.04.2019 zugestellte Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit der am 11.04.2019 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde, mit der sie ihren Antrag auf Bewilligung von ratenfreier Verfahrenskostenhilfe weiterverfolgt und in der Sache geltend macht, das Amtsgericht habe zu Unrecht das Pflegegeld gem. § 37 SGB XI für ihre Tochter in Höhe von monatlich 728 EUR bei ihr als Einkommen angerechnet.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 28.05.2019 nicht abgeholfen und dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die gem. § 113 Abs. 1 FamFG i. V. m. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 127 Abs. 3 S. 3 ZPO) eingelegte Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Der Antragstellerin ist in Abänderung der angefochtenen Entscheidung ratenfreie Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen.
Die Antragstellerin ist nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten des Ehescheidungsverfahrens aus eigenen Mitteln aufzubringen. Dabei kann zunächst auf die Berechnung im angefochtenen Beschluss vom 22.03.2019 Bezug genommen werden. Allerdings ist abweichend von der Auffassung des Amtsgerichts das für die Tochter ... gem. § 37 SGB XI gewährte und an die Antragstellerin weitergeleitete Pflegegeld nicht bei ihr - der Antragstellerin - als Einkommen anzurechnen (OLG Bremen, FamRZ 2013, 60 ff; Zöller/Geimer, ZPO, 32. A., § 115 Rn. 15). Ohne die Anrechnung des Pflegegeldes verbleibt der Antragstellerin kein einzusetzendes Einkommen.
Das Pflegegeld nach § 37 SGB XI stellt weder beim pflegebedürftigen Kind der Antragstellerin noch bei dieser selbst anrechenbares Einkommen i. S. d. § 113 Abs. 1 FamFG i. V. m. § 115 Abs. 1 ZPO dar.
Soweit es um das pflegbedürftige Kind geht, ergibt sich dies ohne weiteres aus dem Gesetz. Nach § 13 Abs. 5 S. 1 SGB XI bleiben die Leistungen der Pflegeversicherung als Einkommen bei Sozialleistungen, deren Gewährung von anderen Einkommen abhängig ist, unberücksichtigt, was auch für die Verfahrenskostenhilfe gilt (Zöller/Geimer, a.a.O.).
Für die Frage, ob bei der Antragstellerin das an sie als Pflegeperson i. S. d. § 19 SGB XI weitergeleitete Pflegegeld als Einkommen zu berücksichtigen ist, fehlt es indes an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, weil der persönliche Anwendungsbereich des § 13 Abs. 5 S. 1 SGB XI auf den Pflegebedürftigen selbst beschränkt ist. Zur Einkommensanrechnung bei der Pflegeperson ist mit § 13 Abs. 6 SGB XI nachträglich eine Regelung in das Gesetz eingefügt worden, die jedoch in ihrem sachlichen Anwendungsbereich auf die Ermittlung von Unterhaltsansprüchen beschränkt ist.
Die gesetzgeberische sozialpolitische Zielsetzung erfordert es jedoch, an die Pflegeperson weitergeleitetes Pflegegeld im Rahmen der Verfahrenskostenhilfebewilligung nicht als Einkommen anzurechnen, wenn es - wie hier - an Personen weitergeleitet wird, die den Pflegebedürftigen nicht erwerbsmäßig in seiner häuslichen Umgebung pflegen. Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 13 Abs. 6 SGB XI soll diese Vorschrift sicherstellen, dass das Pflegegeld nicht nur dem Pflegebedürftigen selbst, sondern auch der Pflegeperson, die die Pflege unentgeltlich übernommen hat, möglichst ungeschmälert erhalten bleibt. Damit will der Gesetzgeber die häusliche Pflege fördern und die Pflegebereitschaft und -fähigkeit im häuslichen Bereich stärken (BT-Drs. 14/407 S. 4). Diese gesetzgeberische Intention verbietet die Annahme, weitergeleitetes Pflegegeld diene dem Ausgleich für eine pflegebedingt nicht mögliche anderweitige Erwerbstätigkeit und habe damit Vergütungscharakter. Da § 115 ZPO an den sozialhilferechtlichen Einkommensbegriff anknüpft und die Verfahrenskostenhilfe eine besondere Form der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege darstellt (BGH FamRZ 2017, 633, 634), ist die aufgezeigte gesetzgeberische sozialpolitische Zielsetzung bei der Bestimmung des Einkommensbegriffs im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe maßgebend.
Fundstellen
Haufe-Index 13284983 |
FamRZ 2019, 2018 |
FuR 2019, 726 |