Leitsatz (amtlich)
Zuschläge an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach § 76g SGB VI (sog. Grundrente) unterliegen grundsätzlich als Anrechte im Sinne des § 2 VersAusglG dem Versorgungsausgleich (entgegen OLG Frankfurt - 6 UF 108/22).
Ob § 19 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG (fehlende Ausgleichsreife wegen Unwirtschaftlichkeit des Ausgleichs) zur Anwendung gelangt (vgl. OLG Frankfurt - 7 UF 4/22 und 2 UF 83/22), bedarf keiner Entscheidung, wenn der maßgebliche Grenzwert des § 97a Abs. 4 S. 3 SGB VI für die Vollanrechnung von Grundrenten-Entgeltpunkten beim Rentenbeginn des ausgleichsberechtigen Ehegatten nicht überschritten werden wird.
Normenkette
FamFG § 224 Abs. 4; SGB VI § 76g Abs. 4, §§ 97a, 120 f.; VersAusglG §§ 2, 19
Verfahrensgang
AG Groß-Gerau (Aktenzeichen 73 F 513/21) |
Tenor
Unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde des Antragstellers wird die angefochtene Entscheidung abgeändert und durch Einfügung eines neuen sechsten Absatzes unter Ziffer I. des Beschlusstenors wie folgt ergänzt:
Ferner wird zu Lasten des Anrechts der früheren Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung ... (Vers.-Nr. ...) im Wege der internen Teilung zu Gunsten des früheren Ehemanns ein Anrecht in Höhe von 0,6032 Entgeltpunkten für langjährige Versicherung in der allgemeinen Rentenversicherung (Grundrente) auf dessen Versicherungskonto bei der Deutschen Rentenversicherung ... (Vers.-Nr. ...), bezogen auf den ... .2004, übertragen.
Im Übrigen bleibt es bei dem im angefochtenen Beschluss angeordneten Versorgungsausgleich.
Von der Erhebung von Gerichtskosten sowie der Anordnung einer Kostenerstattung der Beteiligten untereinander wird für den zweiten Rechtszug abgesehen. Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszugs bleibt es bei der Kostenentscheidung im angefochtenen Beschluss.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist zum einen die Prüfung der Abänderung eines im vorausgegangenen Ehescheidungsverfahren durchgeführten Versorgungsausgleichs im Wege der Totalrevision nach § 51 VersAusglG, zum anderen die in diesem Rahmen erfolgte Durchführung des Versorgungsausgleichs hinsichtlich eines bei der Beschwerdeführerin zu 2) bestehenden Anrechts der Antragsgegnerin aus der gesetzlichen Rentenversicherung (Grundrente).
Die am ...1978 geschlossene Ehe des Antragstellers und der Antragsgegnerin wurde auf den am ...2004 zugestellten Antrag hin mit Urteil des Amtsgerichts vom ... 2005 geschieden und der Versorgungsausgleich durchgeführt. Mit vom ... 2022 datierenden, bei Gericht jedoch bereits am ... 2022 eingegangenen Schreiben beantragte der Antragsteller im Hinblick auf die seiner früheren Ehefrau inzwischen bewilligte Mütterrente die Anpassung des Versorgungsausgleichs nach "Paragraph 225 des Familiengesetzes".
Nach Einholung aktueller Auskünfte der beteiligten Versorgungsträger nahm das Familiengericht mit der angefochtenen Entscheidung vom 16.05.2022 im Wege der Totalrevision nach § 51 Abs. 1 VersAusglG die begehrte Abänderung vor, übersah dabei aber, dass der Versorgungsträger der Antragsgegnerin in seiner Auskunft vom ...2022 auch angegeben hatte, dass die Antragsgegnerin einen auf die Ehezeit bezogenen Grundrentenzuschlag von 1,2064 Entgeltpunkten erworben hat. Auf die Entscheidung im Übrigen wird verwiesen.
Mit einem vom ... 2021 datierenden, beim Amtsgericht aber erst am ... 2022 eingegangenen weiteren Schreiben bat der Antragsteller um Überprüfung der ihm am ... 2022 zugestellten Entscheidung, weil darin nach seinem Dafürhalten die Anrechnung der Kindererziehungszeiten fehle. Ferner legte die Deutsche Rentenversicherung ... mit am selben Tag bei dem Amtsgericht eingegangenen Schreiben vom ... 2022 Beschwerde gegen den ihr am ... 2022 zugestellten Beschluss ein und rügte, dass darin die von der Antragsgegnerin erworbenen Entgeltpunkte für langjährige Versicherung nicht berücksichtigt worden seien.
Der Senatsberichterstatter hat mit Verfügung vom 12.08.2022 Hinweise zur Sache erteilt, auf die die davon betroffenen Beteiligten reagiert haben. Auf den Inhalt ihrer jeweiligen Stellungnahmen wird verwiesen.
II. Vorab war das Schreiben des Antragstellers vom ... 2022 gem. §§ 133, 157 BGB als Beschwerde gegen die familiengerichtliche Entscheidung vom 16.05.2022 auszulegen. Mit der Rüge inhaltlicher Mängel und der Bitte um Überprüfung hat der Antragsteller zu erkennen gegeben, dass er gegen die ihn vermeintlich belastende Entscheidung des Familiengerichts das statthafte Rechtsmittel - die Beschwerde - einlegen will.
Die nach §§ 58 ff. FamFG statthaften und auch sonst zulässigen Rechtsmittel des Antragstellers und des Versorgungsträgers Deutsche Rentenversicherung ... sind auch in der Sache (hinsichtlich des Antragstellers: zumindest teilweise) begründet und führen zu der aus dem Tenor ersichtlichen Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
Soweit der Antragsteller mit seiner Beschwerde allerdings rügt, das Familiengericht habe bei der Abänderung des amtsgerichtlichen Ausspruchs zum Versorgungsaus...