Leitsatz (amtlich)
- In jedem Verfahrensstadium hat das befasste Gericht zu prüfen, welchem Rechtsweg der Streit- bzw. Verfahrensgegenstand zuzuordnen ist, da es verpflichtet ist, die für den zutreffenden Rechtsweg einschlägige Verfahrensordnung anzuwenden.
- Die Einordnung des Rechtsweges erfolgt, sofern die maßgeblichen Tatsachen sowohl für diese als auch den verfolgten Streitgegenstand selbst maßgeblich sind, nur aufgrund des Vortrags des Antragstellers/Klägers, im Übrigen nach Vorbringen aller Verfahrensbeteiligter/Parteien.
- Die vom Gericht erster Instanz fehlerhaft herangezogene Verfahrensordnung und Entscheidungsform führt nicht dazu, dass ein gegen die zutreffende Entscheidungsform nicht statthaftes Rechtsmittel statthaft würde, obgleich es gegen die verwandte Entscheidungsform statthaft wäre.
Normenkette
GVG § 17a; ZPO §§ 511, 99; GewSchG § 1; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 9, §§ 46, 64; BGB §§ 823, 1004
Verfahrensgang
AG Gelnhausen (Beschluss vom 23.10.2014; Aktenzeichen 62 F 301/14) |
Tenor
Die als Beschwerde bezeichnete Berufung des Beklagten vom 3.11.2014 gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Gelnhausen vom 23.10.2014 - 62 F 301/14 GS, wird auf seine Kosten verworfen.
Wert der Berufung: unter EUR 1.000,00
Gründe
1. Mit seinem Rechtsmittel vom 3.11.2014, eingegangen beim Familiengericht am 5.11.2014 und beim Senat am 13.11.2014, begehrt der Beklagte die Abänderung der im angefochtenen Beschluss enthaltenen Kostenentscheidung dahingehend, dass die Kosten des Verfahrens 1. Instanz dem Kläger auferlegt werden.
Mit Schriftsatz vom 20.8.2013, dem Beklagten zugestellt am 20.9.2013, begehrte Kläger bei der Zivilabteilung des AG u.a., den Beklagten zu verurteilen, "... es zu unterlassen, den Kläger zu beleidigen, dessen Person herabzuwürdigen, zu beschimpfen und körperlich zu attackieren". Zur Begründung dieses Antrages führte er aus, dass
- beide Parteien Arbeitnehmer eines Arbeitgebers seien,
- der Beklagte den Kläger am 26.6.2013 fernmündlich bezichtigt habe, das Kfz. des Beklagten zerkratzt zu haben,
- desgleichen am 27.6.2013, der Kläger habe dem Beklagten Geld entwendet,
- dies beides der Kläger zum Anlass nahm, seinen Vorgesetzten darüber zu informieren, dass er sich diese Verhaltensweisen des Beklagten nicht gefallen lassen werde, und sodann
- am 26.6.2013 gegen 19:30 Uhr der Beklagte auf den Kläger auf dem Gelände der dem Arbeitsplatz beider benachbarten Tankstelle gewartet habe, um diesen anzupöbeln und "... mehrfach mit der Hand/Faust gegen die Brust und in den (vom Kläger zuvor gefahrenen) Bus hinein (zu)... stoßen, so dass dieser fast zu Fall gekommen ist". Mit Beschluss vom 21.3.2014 trennte die Zivilabteilung des AG den dargestellten Klageteil ab (und verwies das Verfahren deswegen an die Familienabteilung des AG), "... da eine Zuständigkeit des Zivilgerichts insoweit nicht gegeben ist". In dem vom Familiengericht bestimmten Termin zur Güteverhandlung und mündlichen Verhandlung vom 16.10.2014 erklärte der Kläger, persönlich gehört, folgendes: "... Ich wollte aus dem Bus aussteigen, er ließ mich jedoch nicht aussteigen. Ich sagte ihm, er solle seine Finger wegnehmen. Er hat mich dann in den Bus hineingestoßen. Beim dritten Mal Hineinstoßen habe ich dann mittels meines Körpervolumens und meiner Tasche einen Weg gefunden, aus dem Bus rauszugehen. Ich habe dann den Bus verlassen ... Er hat mich mit zwei Händen in den Bus zurückgestoßen. Ich habe keine Verletzungen davon getragen und musste auch nicht in ärztliche Behandlung ... Ich weiß nicht mehr, wie weit er mich zurückgeschoben hat. Zur Heftigkeit kann ich deshalb nichts sagen."
Mit dem auf den 23.10.2014 datierten, nicht verkündeten Beschluss, der spätestens am 28.10.2014 zur Geschäftsstelle des Familiengerichts gelangte und dem Beklagten am 29.10.2014 zugestellt wurde, wies das Familiengericht unter gegenseitiger Aufhebung der Kosten den Antrag zurück, weil seitens des Beklagten (jedenfalls) keine Verletzung des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit des Klägers vorgelegen habe.
Am 18.11.2014 hat der Berichterstatter des Senats auf die mutmaßliche Unstatthaftigkeit des Rechtsmittels hingewiesen; der Beklagte hat am 1.12.2014 umfassend Stellung genommen.
2. Die als Beschwerde bezeichnete Berufung des Beklagten ist unstatthaft und damit als unzulässig zu verwerfen, §(§ 64 VI 1 ArbGG,) 522 I ZPO, weil
a) die angefochtene Entscheidung in Form eines Urteils nach der ZPO bzw. dem ArbGG hätte ergehen müssen, was in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen ist,
b) die fehlsam gewählte Entscheidungsform nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung nicht dazu führt, dass ein gegen die zutreffende Entscheidungsform nicht gegebenes Rechtsmittel statthaft wird,
c) das Rechtsmittel als Berufung i.S.d. §§ 64 ArbGG, 511 ZPO auszulegen ist und
d) die singuläre Anfechtung der Kostenentscheidung einer die Instanz auch zur Hauptsache abschließenden Entscheidung nach § 99 I ZPO nicht eröffnet ist.
Im Einzelnen:
Zu a)
Die angefochtene Entscheidung vom 23.10.2014 leid...