Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewährung einer Aufbrauchsfrist im Eilverfahren
Leitsatz (amtlich)
Auch im Eilverfahren kommt in Ausnahmefällen eine Aufbrauchsfrist in Betracht, wenn aufgrund der Liefer- und Produktionskette die Abänderung einer Bedienungsanleitung in einem Punkt nur unter unverhältnismäßig großem Aufwand sofort möglich wäre.
Normenkette
BGB §§ 242, 479 Abs. 1 Nr. 3; UWG §§ 3, 3a, 8; ZPO §§ 935, 940
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 09.12.2019; Aktenzeichen 3-6 O 79/19) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
1.) Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 09.12.2019 teilweise abgeändert:
Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR für jeden Fall der Zuwiderhandlung, und für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft, jeweils zu vollstrecken an den Geschäftsführern, aufgegeben, es zu unterlassen,
Elektroprodukte in den Bereichen Klima/Haarstyling/ Staubsauger zu vertreiben und hierbei den Verkaufsverpackungen Garantiebedingungen wie aus den Anlagen F 1 - F 5 beizufügen,
2.) Der Antragsgegnerin wird eine Aufbrauchsfrist bis 01.04.2020 gewährt.
3.) Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
4.) Die Kosten des Eilverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
5.) Der Streitwert wird auf 16.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin macht die Garantiebedingungen (Anlagen F 1 - F 5) der Antragsgegnerin zum Gegenstand ihres Verfügungsantrages, die sowohl den verkauften Produkten beiliegen als auch auf der Homepage der Antragsgegnerin abrufbar sind, wobei letzteres zwischen den Parteien streitig ist.
Diese Bedingungen greift die Antragstellerin jeweils unter vier rechtlichen Gesichtspunkten an:
- Fehlende Angabe des Garantiegebers (§ 479 I Nr. 2 BGB)
- Irreführung durch Versprechen "zusätzlicher Vorteile" durch die Garantie, obwohl die Rechte hinter den Gewährleistungsrechten zurückbleiben
- Irreführung wegen fehlender Bestimmtheit
Die Antragstellerin beantragt,
1.) der Antragsgegnerin aufzugeben, es künftig zu unterlassen, Elektroprodukte in den Bereichen Klima/Haarstyling/Staubsauger zu vertreiben,
a) und hierbei beim eigenen Endkundengeschäft Garantiebedingungen wie aus den Anlagen F 1 - F 5 beizufügen oder zu bewerben.
b) und bei Vertrieb über Zwischenhandel Garantiebedingungen wie aus den Anlagen F 1 - F 5 beizufügen oder zu bewerben, wenn dieser Zwischenhandel die Ware dann ohne Beifügung weiterer Garantiebedingungen weitervertreibt.
c) und hierbei bei Vertrieb über Zwischenhandel über 2. hinaus Garantiebedingungen wie aus den Anlagen F 1 - F 5 beizufügen oder zu bewerben, gleich ob online daneben die sogenannten "Marke1 Garantiebedingungen" (Stand August 2018) ersichtlich aus den Anl. F 6d/7d/8d eingebunden / verfügbar sind.
2.) Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen aus dem Antrag 1. - 3. ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft angedroht, jeweils zu vollstrecken an ihren Geschäftsführern.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Verfügungsantrag zurückzuweisen.
Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.
II. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat teilweise Erfolg. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 3a UWG i.V.m. § 479 BGB zu, soweit die Antragsgegnerin in ihren den Packungen beiliegenden Garantiebedingungen entgegen § 479 I Nr. 2 BGB nicht Name und Anschrift des Garantiegebers angegeben hat. Im Übrigen besteht ein Verfügungsanspruch nicht.
1.) Die Antragstellerin hat mit ihrem Verfügungsantrag die Garantiebedingungen der Antragsgegnerin gem. Anlagen F 1 - F 5 angegriffen, die - so ihr Vortrag in der Antragsschrift - von der Antragsgegnerin "online präsentiert" werden und zudem "den Produkten beigefügt" werden. Aus den Anlagen ergibt sich, dass auf der Homepage der Antragsgegnerin auch über den Online-Shop Produkte erworben werden konnten. Dies ist der den Rechtsstreit begrenzende Lebenssachverhalt.
Diesen Sachverhalt greift die Antragstellerin unter vier rechtlichen Gesichtspunkten an:
- Fehlende Angabe des Garantiegebers (§ 479 I Nr. 2 BGB)
- Irreführung durch Versprechen "zusätzlicher Vorteile" durch die Garantie, obwohl die Rechte hinter den Gewährleistungsrechten zurückbleibe
- Bestimmtheitsbedenken
Es handelt sich insoweit, wie die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 08.12.2019, S. 11 nochmals klargestellt hat, zwar jeweils (online-Direkt-Vertrieb / Offline-Vertrieb an Dritte) um einen eigenen Streitgegenstand (vgl. BGH GRUR 2012, 184 Rn. 15 - Branchenbuch Berg; BGHZ 194, 314 Rn. 24 - Biomineralwasser; BGH GRUR 2018, 203 Rn. 18 - Betriebspyschologe), der alle Rechtsverletzungen umfasst, die durch die ...