Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortgeltung. Raub. Scheinwaffen. schwere Gewalttat. Sicherungsverwahrung. Weitergeltungsanordnung. schwere Gewalttat im Sinne der Weitergeltungsanordnung
Leitsatz (amtlich)
1. Raubdelikte können schwere Gewalttaten im Sinne der Weitergeltungsanordnung des BVerfG im Urteil vom 4.5.2011 (NJW 2011, 1931 = NStZ 2011, 540) sein.
2. Hat der Verurteilte in der Vergangenheit bei den von ihm verübten Raubdelikten jedoch stets die Anwendung von Gewalt nur angedroht und lassen sich sichere Feststellungen nicht treffen, dass bei den Vor-und Anlassdelikten für die gegen ihn verhängte Sicherungsverwahrung objektiv gefährliche Tatmittel (hier: geladene und funktionstüchtige Schreckschusspistolen) als Drohmittel zu Einsatz kamen, und gibt es auch keine konkreten Hinweise darauf, dass künftige Rückfalltaten vom Verurteilten mit höherem Gewaltpotential begangen werden könnten, kann die Fortdauer der gegen ihn verhängten Sicherungsverwahrung nicht angeordnet werden.
Normenkette
StGB §§ 66, 67d Abs. 2, §§ 250, 255
Verfahrensgang
LG Marburg (Entscheidung vom 21.11.2011; Aktenzeichen 7 StVK 416/11) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Darmstadt gegen den Beschluss der 7. Strafkammer - Strafvollstreckungskammer - des Landgerichts Marburg vom 21. November 2011 wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Verurteilten im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
I. Gegen den am ....1970 geborenen und jetzt 41-jährigen Verurteilten wird seit dem 01.04.2008 die mit Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 16.09.2005 - ... - angeordnete Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollstreckt.
Der Verurteilte war - bereits als Jugendlicher - mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Von 1986 bis zu der Entscheidung vom 16.09.2005 war er zwölf Mal strafrechtlich verurteilt worden. Darunter finden sich u.a. sieben Verurteilungen zu Jugend- bzw. Freiheitsstrafen, die er jeweils voll verbüßte. Für das vorliegende Verfahren sind die folgenden Vor- und Anlasstaten von Bedeutung:
Am 19.09.1986 wurde der Verurteilte durch Urteil des Amtsgerichts Heilbronn - rechtskräftig seit 27.09.1986 - (...) wegen "eines Verbrechens des gemeinschaftlichen Raubes und zweier Vergehen des Diebstahls sowie eines Vergehens des gemeinschaftlichen versuchten Diebstahls" sowie "eines Vergehens des Besitzes verbotener Betäubungsmittel" zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Urteil enthält hinsichtlich der Verurteilung wegen Raubes folgende Feststellungen zur Sache:
(Von der Darstellung wurde aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes abgesehen)
Das Amtsgericht hat die Tat als
"ein Verbrechen des gemeinschaftlichen schweren Raubes gemäß §§ 249, 250 I 2, 25 II Strafgesetzbuch"
gewertet.
Am 11.07.1991 wurde der Angeklagte durch Urteil des Amtsgerichts Heilbronn - rechtskräftig seit 19.07.1991 - (...) wegen "gemeinschaftlichen schweren Raubes ... in Verbindung mit fortgesetztem unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln" unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Heilbronn vom 08.03.1990 (...) zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Das Urteil enthält hinsichtlich der Verurteilung wegen schweren Raubes folgende Feststellungen zur Sache:
(Von der Darstellung wurde aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes abgesehen)
Das Amtsgericht hat die Tat als "ein Verbrechen des gemeinschaftlichen schweren Raubes gem. §§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 2, 25 Abs. 2 StGB" gewertet.
Das Landgericht Darmstadt - ... - verurteilte den Verurteilten am 16.09.2005, rechtskräftig seit 10.03.2006, wegen versuchter räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Gleichzeitig wurde seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Der Verurteilung lag u.a. der folgende Sachverhalt zugrunde (Tatzeit: ....2005):
(Von der Darstellung wurde aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes abgesehen)
Nach vollständiger Verbüßung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 16.09.2005 wird seit dem 01.04.2008 die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen.
Mit Beschluss vom 21.11.2011 hat die Strafvollstreckungskammer die weitere Vollstreckung der durch Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 16.09.2005 angeordneten Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung ausgesetzt. Den Zeitpunkt der Aussetzung hat sie einem gesonderten Beschluss vorbehalten; die Aussetzung soll allerdings spätestens mit Ablauf des 30.03.2012 erfolgen. Zur Begründung hat die Strafvollstreckungskammer u.a. ausgeführt, die Maßregel sei wegen Verstoßes gegen das Abstandsgebot durch Aussetzung zur Bewährung nach § 67d Abs. 2 StGB zu beenden. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
II. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist gemäß §§ 463 Abs. 3 Satz 1, 454 Abs. 3 S...